Gegengift

Richard oder Henry, Mary oder Bess – wen favorisieren Sie?

Hofstallgasse mit der Universität auf der linken Seite und dem großen Festspielhaus rechts.
Hofstallgasse mit der Universität auf der linken Seite und dem großen Festspielhaus rechts.(c) imago/(Volker Preusser)
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Bei Königsdramen sind die Geschmäcker verschieden: Die einen mögen Widersprüchliche, die anderen reine Techniker der Macht.

In der Abteilung für tragische Literaturgeschichte im Leseturm des Gegengifts brechen zwischen den Royalisten und Revolutionären immer wieder heftige Fehden aus, meist in den großen Ferien. Logisch: Was gibt es Schöneres, als beim sommerlichem Theater, am besten vor der Kulisse einer echten Burg, den Fall gekrönter Häupter zu verfolgen? Bei solchen Haupt- und Staatsaktionen vergisst das Publikum sogar blutrünstige Gelsen, die den Kunstgenuss stören.

2021 ist ein gutes Jahr für Königsdramen, zum Beispiel bei den Salzburger Festspielen, wo derzeit eine moderne Melange aus „Heinrich VI.“ und „Richard III.“ frei nach Shakespeare zu sehen ist. Abgelöst wird dieses Schauspiel in Hallein Mitte August durch die Inszenierung von Schillers „Maria Stuart“, den Meisterkurs monarchischer Intrigen, der anschließend ins Burgtheater kommt. Dort wird dann endlich auch „Richard II.“ zu sehen sein. Stoff genug also für Streit.

Zu wem sollte man in diesen lehrreichen Stücken halten? Im Fall von Richard II. sind wir gespalten. Die Schwärmer verteidigen den kunstsinnigen König. Dessen Schwäche löste 1398/99 die Malaise englischer Bürgerkriege aus, die erst 1485 endeten. Sein qualvoll langer Sturz, den er poetisch erläutert, rührt sensible Fans. Pragmatiker hingegen halten zu Usurpator Bolingbroke, geübt im Verrat. Mit Fortgang der Geschichte wird seine larmoyante Scheinheiligkeit unerträglich. Schon beim Aufstieg, ehe er zu Heinrich IV. avanciert, ist dieser Typ ein kalter Techniker der Macht.

Das gilt auch für Richard III., doch fällt es leicht, für ihn gegen den Rest der öden Welt Partei zu ergreifen. Der Protagonist ist vom ersten bis zum fünften Akt so wortgewandt und offen, wenn er die Zuseher in seine bösen Pläne einweiht, dass wir ihm jederzeit ein Pferd borgen würden, damit er nach der Schlacht von Bosworth 1485 munter die fantastischen Intrigen weitertreibe. Leider aber setzt sich Heinrich Tudor durch, ein humorloser Bürokrat von dubioser Herkunft.

Seine Enkelin Bess wird in „Maria Stuart“ eine Hauptrolle spielen. Dort sind die Sympathien wieder divers. Katholisch Geprägte favorisieren die sinnliche Titelfigur und bitten in Stoßgebeten a priori um Vergebung all ihrer Sünden. Streng protestantisch Gesinnte bleiben Elisabeth I. treu. Sie hat das rechte Arbeitsethos für eine triumphale britische Herrscherin. Wenn sich aber am Ende ihr Lover-Lord nach Frankreich absetzt, verdrücken wir mit ihr heimlich heiße Tränen.

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