Leichtathletik

Die Post-Bolt-Ära beginnt mit einer Sensation

Sogar in einem Rennen ohne klaren Favoriten war er die Überraschung: Lamont Jacobs vom Gardasee.
Sogar in einem Rennen ohne klaren Favoriten war er die Überraschung: Lamont Jacobs vom Gardasee. (c) imago images/AFLOSPORT (Kenjiro Matsuo via www.imago-images.de)
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Der Thronfolger von Usain Bolt kommt aus Italien. Der 100-m-Sprint ist offener, seit der König abgedankt hat.

Es ging um nichts weniger als einen Nachfolger für Usain Bolt, den einstigen König der Leichtathletik. Und erstmals seit Olympia 2000 stand dabei nicht einmal ein Jamaikaner im 100-m-Finale. Die Welt der Sprinter, sie hat sich verändert, seit der Superstar im Jahr 2017 abgetreten ist, sie ist offener geworden.

Das beste Beispiel dafür ist der neue Olympiasieger: Lamont Marcell Jacobs, 26-jähriger Italiener, geboren in El Paso, Texas, aufgewachsen am Gardasee, sprintete zu Gold über 100 Meter. Seine Zeit im Olympiastadion von Tokio, einer der schnelleren Bahnen dieser Welt: 9,80 Sekunden, das ist neuer Europarekord und macht ihn zum ersten europäische Olympiasieger im Sprint seit dem Briten Linford Christie 1992. Erst dahinter die üblichen Verdächtigen: Fred Kerley aus den USA (9,84 Sek.) und André De Grasse (9,89 Sek.) aus Kanada (Bronze).

Italiens doppelter Jubel

Eine Überraschung dieser Art hatte sich angekündigt. Ein Chinese, Su Bingtian, war mit Bestzeit (9,83) ins Finale vorgestoßen, während der von Bolt auserkorene Gold-Favorit Trayvon Bromell aus den USA, der zuvor schnellste Mann dieser Saison (9,77), es um eine Tausendstelsekunde erst gar nicht dorthin geschafft hatte. Dasselbe Schicksal ereilte den Jamaikaner Yohan Blake, immerhin der Sprinter mit der zweitschnellsten Zeit der 100-m-Historie (9,69).

So war es Jacobs, der Sohn eines Amerikaners und einer Italienerin, der nach einem veritablen Fehlstart des Briten Zharnel Hughes die italienischen Leichtathletik-Festspiele an diesem Abend vollendete. Nur Minuten nachdem Landsmann Gianmarco Tamberi Hochsprung-Gold eingefahren hatte (2,37 m), fielen sich die beiden Athleten dem Zieleinlauf von Jacobs in die Arme.

„Es war mein Traum als Kind“, sagte der neue König der Sprinter, dessen bisher größter Erfolg der 60-m-Titel bei der Europameisterschaft heuer in Polen gewesen war. Mit Blick auf die Siegerehrung meinte er: „Ich kann es kaum erwarten, die Hymne zu hören.“
Doch auch wenn Überraschungsmann Jacobs im Sprintfinale nicht einzuholen war, an Entertainer und Ausnahmesportler Bolt – der Jamaikaner hatte 2008 in Peking, 2012 in London und 2016 in Rio jeweils Gold über die 100 und 200 Meter gewonnen – reicht der Italiener natürlich nicht heran. „Niemand wird auf Anhieb in Bolts Fußstapfen treten“, hatte Sebastian Coe, der Präsident von World Athletics, gemeint.

Zwar hat Jacobs nun Bolts Siegerzeit von Rio 2016 um eine Hundertstel unterboten, Sorgen um seinen Weltrekord muss sich der mittlerweile 34-jährige Jamaikaner aber noch keine machen. Die 9,58 Sekunden von Berlin 2009 bleiben unangetastet.

Jamaikas Hochburg

Im Gegensatz zu den Männern haben Bolts Landsfrauen die Sprint-Vorherrschaft noch längst nicht aus der Hand gegeben. Im Gegenteil: Jamaika feierte einen Dreifachsieg, angeführt von Elaine Thompson-Herah, der in Tokio bei ihrem zweiten Olympia-Triumph über 100 Meter mit 10,61 Sekunden nur elf Hundertstel zum Jahrhundert-Weltrekord der umstrittenen US-Amerikanerin Florence Griffith-Joyner (10,49) fehlten.
Im jamaikanischen Duell hat die 29-jährige Thompson-Herah damit in der Olympiagold-Bilanz auf 2:2 ausgeglichen. Denn Shelly-Ann Fraser-Pryce, 34, verpasste als Zweite in Tokio ihren dritten Olympiasieg – und bangt nun um ihren Legendenstatus in der Heimat neben Bolt.

Dritte wurde Shericka Jackson. Gemeinsame Ehrenrunde der drei Jamaikanerinnen gab es aber keine, zu groß ist die teaminterne Konkurrenz. In der Staffel über 4 x 100 Meter muss das Trio nun irgendwie zusammenfinden. Usain Bolt jedenfalls war fürs Erste angetan. „Komplett abgeräumt“, schwärmte er auf Twitter.

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