Israel macht die islamische Republik für den Drohnenangriff auf einen Öltanker vor der Küste des Oman verantwortlich.
Jerusalem/Teheran. Wer steckt hinter dem Angriff auf den Öltanker Mercer Street? Diese Frage stellten sich am gestrigen Sonntag viele Beobachter des Nahost-Konflikts. Der Öltanker war am Donnerstag vor der Küste des Oman angegriffen worden, zwei Besatzungsmitglieder – ein Rumäne und ein Brite – wurden bei der Attacke getötet.
Brisant ist der Vorfall insofern, als Israel involviert ist – wenn auch indirekt. Der Tanker hat einen japanischen Eigner, wird aber von der in Großbritannien registrierten Firma Zodiac Maritime des israelischen Unternehmers Ejal Ofer betrieben. Nach Betreiberangaben war der Tanker zum Zeitpunkt des Angriffs ohne Fracht auf dem Weg vom tansanischen Daressalam nach Fudschaira in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nach der Attacke setzte die Besatzung der Mercer Street einen Notruf ab, auf den US-Marinesoldaten reagierten. Sie seien zur Unterstützung der Besatzung an Bord des Tankers gegangen und hätten dort auch Belege für den Angriff gesehen, hieß es aus Washington.
US-Rückendeckung
Für die israelische Regierung steht fest, dass hinter dem Angriff nur die islamische Republik stecken kann. „Der Iran ist nicht nur ein Problem Israels, sondern ein Exporteur von Terrorismus, Zerstörung und Instabilität, der uns allen schadet“, sagte Außenminister Yair Lapid. „Wir dürfen angesichts des iranischen Terrorismus, der auch die Freiheit der Schifffahrt beeinträchtigt, niemals schweigen.“
Rückendeckung erhielt Israel aus Washington: US-Außenminister Anthony Blinken habe mit Lapid vereinbart, gemeinsam mit anderen Partnern die „Fakten“ zu ermitteln und über „angemessene weitere Schritte“ zu beraten, teilte das Außenministerium der Vereinigten Staaten mit.
„Zionistische Unterstellungen“
Das US-Militär hatte zuvor erklärt, es gebe Hinweise darauf, dass die Attacke auf den Tanker mit Drohnen ausgeführt worden sei. Der frühere israelische Brigadegeneral und Sicherheitsexperte Schlomo Brom sagte der Nachrichtenagentur AFP, der Angriff auf die Mercer Street weise Parallelen zu einem mutmaßlichen Drohnenangriff auf eine iranische Zentrifugenfabrik im Juni auf, für den Israel verantwortlich gemacht wurde. „Die Iraner imitieren uns und wenden dieselben Techniken an“, sagte Brom. An einer Eskalation seien aber weder der Iran noch Israel interessiert.
Die offizielle Antwort Irans auf die Anschuldigungen fiel eindeutig aus: „Wir verurteilen diese grundlosen Unterstellungen seitens der Zionisten“, sagte Irans Außenamtssprecher Saeed Khatibzadeh am Sonntag in Teheran. Israel sei ein illegitimes und gewalttätiges Regime, und absurde Schuldzuweisungen würden diese Tatsache weder ändern noch dem Regime nutzen. Der iranische Staatssender Al-Alam berichtete jedoch unter Berufung auf „informierte regionale Kreise“, der Angriff sei eine „Antwort auf einen kürzlich erfolgten israelischen Angriff“ auf einen syrischen Flughafen gewesen.
Die Adressaten der iranischen Riposte ließen gestern aber nicht locker: Das aggressive Vorgehen Teherans gefährde „nicht nur Israel, sondern globale Interessen, die freie Schifffahrt und den internationalen Handel“, sagte Israels Regierungschef Naftali Bennett bei einer Kabinettssitzung.
Schattenkrieg im Golf
In der Golfregion gibt es immer wieder Angriffe auf Schiffe, die Experten als Teil eines Schattenkrieges zwischen Israel und dem Iran werten. Die auf maritime Sicherheit spezialisierte Beratungsfirma Dryad Global erklärte, seit Februar habe es bereits fünf Attacken auf Schiffe gegeben, die in Verbindung mit Israel stünden. Im selben Zeitraum seien zwei Schiffe mit Verbindungen zum Iran angegriffen worden.
Die Attacke auf den Tanker ereignete sich vor dem Hintergrund der Gespräche über eine Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran. Die Gespräche in Wien, an denen indirekt auch die USA teilnehmen, waren zuletzt ausgesetzt worden, sollen aber nach der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi am kommenden Donnerstag fortgesetzt werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2021)