50. Viennale mit Woody Allen, Sofia Coppola, Lou Reed

2000 Viennale oeffentlicher Raum
2000 Viennale oeffentlicher Raum(c) Klaus Vyhnalek
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Knapp 140 Spiel- und Dokumentarfilme zeigt das Wiener Filmfest vom 21. Oktober bis 3. November, darunter zwei große Festival-Gewinner. Österreich ist heuer wenig präsent. Tickets gibt es ab Samstag.

Heuer feiert die Viennale, das heute größte Internationale Filmfestival Österreichs, ihr 50-Jahr-Jubiläum. Vom 21. Oktober bis 3. November legt das Filmfest wie gewohnt ihren Fokus auf Produktionen abseits des Mainstream und zeigt Highlights der vergangenen Festspielsaison. Österreichische Filme sind heuer mager gesät. Neu bei der 48. Auflage: ein stark ausgebautes Kurzfilmprogramm und erstmals eine "Special Events"-Reihe. Bei dieser stellt unter anderen Musikerlegende Lou Reed seine erste Filmarbeit vor. Der Vorverkauf beginnt am Samstag, dem 16. Oktober.

Knapp 140 Spiel- und Dokumentarfilme stehen heuer insgesamt auf dem Programm. Die Viennale wird mit dem französischen Film "Des hommes et des dieux" von Xavier Beauvois eröffnet, den Abschluss macht das Spielfilmdebüt "Alamar" des mexikanischen Regisseurs Pedro Gonzalez-Rubio. "Jeder Film ist kommerziell", zitiert Viennale-Direktor Hans Hurch den französischen Filmemacher Jean Renoir, weil stets Geld dahinter stehe, nicht jeder Film aber Gegenwert dieses Geldes sei. "Man muss Filme machen, als ob es das Geld nicht gäbe", fügt Hurch hinzu. Wenige große, aus Hollywood bekannte Namen finden sich daher unter den 80 Spielfilmen und knapp 60 Dokumentarfilmen.

Sofia Coppola, Woody Allen, Robert Rodriguez

Zu den "Stars" gehören die Festspielgewinner dieses Jahres: Sofia Coppolas "Somewhere", dem Gewinner des Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig, und Cannes-Gewinnerfilm "Lung Boonmee Raluek Chat" von Apichatpong Weerasethakul. Der Thailänder hat auch den Festivaltrailer "Empire" gestaltet, der in der Kurzfilm-Sektion vertreten ist.

Zugpferde sind wohl auch Woody Allen ("You will meet a tall dark stranger"), Robert Rodriguez ("Machete"), Francois Ozon ("Potiche" mit Catherine Deneuve und Gerard Depardieu), Mike Leigh ("Another Year") und Altmeister Monte Hellmann ("Road to Nowhere") sowie das Doku-Feature "Exit Through the Gift Shop" des britischen Street-Art-Künstlers Banksy.

Olivier Assayas stellt sein in Cannes gefeiertes Epos "Carlos" vor, in dem die österreichische Schauspielerin Nora von Waldstätten mitwirkt. Charakterdarsteller Vincent Gallo ist in Jerzy Skolimowskis "Essential Killing" als Taliban, dem die Flucht aus einem US-Geheimgefängnis gelingt, zu sehen.

Hollywoodschauspieler in der Spielfilm-Schiene

Hollywoodschauspieler finden sich vereinzelt in Werken von US-Regisseuren wieder: Edward Norton ist in einer Doppelrolle in dem skurrilen Thriller "Leaves of Grass" von Tim Blake Nelson zu sehen und John C. Reilly kämpft in "Cyrus" (von Jay und Mark Duplass) um Marisa Tomei. Oscarpreisträger Adrien Brody mimt in der Kiffer-Komödie "High School" von John Stalberg einen Drogendealer.

Das US-Independentkino nimmt wie in den Vorjahren eine starke Position im Rahmen des Hauptprogramms ein, die Regisseure Aaron Katz ("Cold Weather"), Matt Porterfield ("Putty Hill") und Mike Ott ("Littlerock") werden persönlich in Wien sein, um ihre neuen Filme vorzustellen.

Spielfilme aus ohne Länder-Fokus

Neben US-Produktionen ist eine große Vielfalt an der Länderverteilung zu erkennen, auffällig viele von ihnen beschäftigen sich mit turbulenter Kindheit und Jugend. Der philippinische Regisseur Pepe Diokno porträtiert in "Engkwentro" Jugend-Gangs in den Slums von Manila und Li hongqi zeichnet in "Han Jia", das in Locarno den Goldenen Leoparden gewonnen hat, ein Bild fadisierter Teenager in der Einöde.

Das französische Kino ist erneut stark präsent, ein Fokus liegt auch auf lateinamerikanischen Produktionen. Darunter etwa "Carancho" von Pablo Trapero, einem berühmten Vertreter des neuen argentinischen Kinos. Unter den asiatischen Produktionen finden sich viele Komödien, allen voran "Shinboru", in dem Matsumoto Hitoshi. Gleich fünf rumänische Produktionen sind zu sehen. Radu Muntean stellt in Wien seinen neuen Film "Marti, dupa craciun" über ein von einem Seitensprung erschüttertes Ehepaar vor, Marian Crisan ist mit der Komödie "Morgen" vertreten.

Dokus: Viele Porträts und Musikfilme

Die Dokumentarfilmsektion wartet vor allem mit einer breiten Vielfalt an Porträts auf: Casey Affleck begleitet Hollywoodstar Joaquin Phoenix in der Fake-Doku "I'm not there" bei dessen Scheitern in der Musikbranche, Leon Gast sorgt mit seinem Film "Smash his Camera" über den legendären Paparazzi Ron Galella für Gesprächsstoff und der renommierte Avantgarde-Filmemacher Jonas Mekas blickt in "Notes on an American film director at work" Regisseur Martin Scorsese bei den Dreharbeiten zu "The Departed" über die Schulter.

Die stets populären Musik-Dokus lassen heuer die 70er Jahre wieder auferstehen. Murray Lerner zeigt mit "Leonard Cohen: Live at the Isle of Wight" einen legendären Auftritt des damals 35-jährigen Kanadiers. Mit "Stones in Exile" führt Stephen Kijak zurück zu den Albumaufnahmen der Rolling Stones zu "Exile on Main Street". Einen etwas anderen Musikfilm präsentiert Festivalgast John Turturro mit "Passione", einer "musikalischen Reise durch Neapel".

Politische Dokus beschäftigen sich unter anderem mit den Folgen langjähriger Diktaturen ("48" von Susana de Sousa Dias über Salazar in Portugal) und mit Bürgerunruhen ("L'impossible - Pages arrachees" des Aktivisten Sylvain George über Demonstrationen in Frankreich).

Österreich: Nur ein Spielfilm und zwei Dokus

Die Anzahl österreichischer Filme fällt mit einem Spielfilm und zwei Dokumentarfilmen mager aus: Johannes Hammel präsentiert den einzigen österreichischen Beitrag in der Spielfilm-Sektion. Er schuf mit seinem Langfilmdebüt "Folge mir" einen Schwarz-weiß-Streifen über Lieblosigkeit und Kälte. In der Dokumentarfilmsektion widmet sich Houchang Allahyaris der Grande Dame der Sozialarbeit in "Die verrückte Welt der Ute Bock" (mit Roland Düringer, Josef Hader und Karl Markovics). Experimentalfilmer Martin Bruch stellt seine Doku "bruchstücke" vor.

Starke heimische Präsenz gibt es im ausgebauten Kurzfilmprogramm, das heuer mit fast 50 Werken aufwartet, sieben davon aus Österreich. Einem von ihnen, Siegfried A. Fruhauf, wird mit "Exposed" ein Special Program gewidmet. Gezeigt werden auch Filme von Peter Tscherkassky, Martin Arnold und Sasha Pirker.

Ein "Special Evening" mit Lou Reed

Erstmals weist die Viennale "Special Evenings" aus, an denen Filmemachern mit Filmen, Lesungen und Gesprächen Abende gewidmet werden. An erster Stelle ist hier der Musiker Lou Reed zu nennen, der im Alter von 68 Jahren seinen ersten Film gedreht hat, die knapp halbstündige Doku "Red Shirley" über seine Cousine am Vorabend ihres 100. Geburtstags. Reed wird seinen Film am 2. Nopvember im Gartenbaukino präsentieren.

Tributes: Larry Cohen und William Lubtchansky

Die diesjährigen Viennale-Tributes gelten dem US-Regisseur Larry Cohen und dem verstorbenen Kameramann William Lubtchansky. Cohen wird auch persönlich beim Festival anwesend sein.

Der 69-jährige Cohen gilt bis heute als hartnäckiger Außenseiter Hollywoods, der Filme gern im Alleingang macht. Ende der 50er Jahre belieferte er die US-Fernsehsender mit Serien wie "The Invaders" oder "The Fugitive" sowie Alfred Hitchcock. Mit der Bearbeitung seiner Scrips war er selten zufrieden, also fing er an, selbst zu drehen: Die Beverly Hills-Satire "Bone", das "family horror movie" "It's Alive" oder den Gangster-Streifen "Black Caesar". Mit vier Fernsehserien-Folgen und zwölf Filmen huldigt die Viennale ihrem Gast.

Lubtchansky, der Lieblingskameramann etwa von Jean-Luc Godard, starb erst im Mai diesen Jahres. Von den Großen der Nouvelle Vague wie Godard, Agnes Varda oder Jacques Doillon wurde er gern beschäftigt. Seine Filme als Kameramann sind wohl bekannt, er selbst verschwindet in seiner Arbeit allerdings häufig hinter den Visionen seiner Regisseure, denen er sich verpflichtet fühlte. Weit über hundert Filme drehte Lubtchansky in seinen 72 Lebensjahren, allein elf davon mit Jacques Rivette. Rund ein Dutzend sind bei der Viennale zu sehen.

Das Filmarchiv Austria widmet sich mit dem zwölfteiligen Programm "Silent Masters" indes dem österreichischen Stummfilmkino der 20er Jahre.

Special Programs für Österreicher und Kanadier

Special Programs widmen sich zwei jungen Filmemachern aus Kanada und Österreich, die auch beim Festival zu Gast sein werden. "Exposed" zollt nicht nur dem österreichischen Experimentalfilmemacher Siegfried A. Fruhauf (Jahrgang 1976) mit zehn seiner Kurzfilme Tribut, sondern mit einer Carte-Blanche-Reihe von ihm selektierter Filme auch jener Avantgardeszene, der er entstammt. Der Kanadier Denis Cote (Jahrgang 1973) drehte bis zum Jahr 2005 ausschließlich Kurzfilme, seitdem entstanden fünf Spielfilme, die allesamt unter dem Titel "Drifting States" bei der Viennale gezeigt werden, darunter auch sein neuestes Werk "Curling".

"Für Straschek" gedenkt von 30. Oktober bis 1. November dem im September 2009 verstorbenen Grazer Günter Peter Straschek, der als Filmhistoriker und Filmemacher das Exil von Filmschaffenden aus Nazi-Deutschland erforschte. Unter dem Motto "Die Wiedergeburt des deutschen Films" wird der deutsche Filmemacher Klaus Lemke am 25. Oktober für ein Gespräch im Künstlerhaus zu Gast sein, zusätzlich präsentiert er unter dem Titel "13 Mal Glück" ebenso viele Ausschnitte aus seinen Filmen.

Preise

Auch heuer werden drei Preise vergeben: der Wiener Filmpreis in den Kategorien Spiel- und Dokumentarfilm, der FIPRESCI-Preis der Internationalen Filmkritik und der "Standard"-Publikumspreis. Die Filmpreis-Jury ist bunt besetzt: Neben der Lyrikerin Sabine Gruber sitzt u.a. Hip-Hop-Musiker Martin Skerwald aka Skero in der Jury.

Tickets

Reguläre Tickets ab Samstag an den drei Vorverkaufsstellen Schottentor-Passage, Stubentor und Generali-Center sowie online und unter der Gratis-Telefonnummer 0800 664 009 erhältlich

www.viennale.at

(APA)

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