Glaubensgemeinschaft: "Muslime müssen in die Politik"

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Nach der Wahl in Wien fordert Moslem-Vertreter Schakfeh von der Islamischen Glaubensgemeinschaft im Interview mehr politisches Engagement und Interesse von Muslimen. Die FPÖ bezeichnet er als rechtsradikal.

Man muss die Muslime dazu bringen, sich für die Anliegen des Bezirks und der Stadt zu interessieren.“ Denn nur so, glaubt Anas Schakfeh, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), könne man „den Rechtsradikalen etwas entgegensetzen“. Mit dieser Formulierung ist die FPÖ gemeint, die bei der Wiener Gemeinderatswahl mit einem dezidiert islamophoben Wahlkampf 27 Prozent der Stimmen erreichte.

Mehr Engagement von Muslimen in demokratischen Parteien, das wünscht sich Schakfeh. „Denn wenn Muslime nicht zeigen, dass sie keine Gefahr sind, sondern eine Bereicherung, wird Straches Rechnung aufgehen.“ Dass mit SP-Gemeinderat Omar Al-Rawi und der türkischstämmigen Studentin Gülsah Namaldi, ebenfalls bei der SPÖ, zwei Muslime durchaus beachtliche Vorzugsstimmenwahlkämpfe führten, reiche da nicht. „Das ist zu wenig“, meint Schakfeh, „in Wien gibt es fast 100.000 wahlberechtigte Muslime – ich hätte eine Marke von 10.000 Vorzugsstimmen erwartet.“

Tatsächlich ist eine so hohe Anzahl an Vorzugsstimmen kaum realistisch – selbst Bürgermeister Michael Häupl, der immerhin den Parteiapparat der Wiener SPÖ hinter sich hat, kam lediglich auf 9500. Insofern ist der Wahlkampf von Gülsah Namaldi bemerkenswert. Auf Platz 166 der SPÖ-Liste absolut chancenlos gereiht, führte die 23-jährige Studentin einen Zielgruppenwahlkampf – und kam so aus dem Stand auf 3254 Vorzugsstimmen.

Moderner Stil, konservativer Inhalt

Im Stil zwar modern, mit gut gemachter Website, einem eigenen Rap-Song und Unterstützung aus der Muslimischen Jugend trat sie an – vertrat dabei aber durchwegs konservative Positionen. So forderte sie etwa verpflichtenden muttersprachlichen Unterricht für nicht deutschsprachige Schüler – zu Deutschkursen sollte dagegen niemand gezwungen werden, man sollte lediglich Anreize schaffen. Und auch die Tatsache, dass Namaldi ein Kopftuch trägt, das auch den Hals bedeckt, sorgte dafür, dass ihr Antreten selbst in der SPÖ Skepsis hervorrief. Aber auch in der ÖVP gab es mit Sara Rahman eine Kandidatin mit Kopftuch, die in der eigenen Partei nicht nur Begeisterung auslöste – sie blieb allerdings weitgehend im Hintergrund und holte gerade einmal sechs Vorzugsstimmen.

Sirvan Ekici, bis zur Wahl ÖVP-Gemeinderätin muslimischer Religion, versteht die Skepsis in Politik und Bevölkerung: „Was ist das bitte für ein Signal an moderate und moderne Muslime? Da werden Kandidaten mit Kopftüchern aufgestellt, und so wird ein völlig falsches Bild der österreichischen Muslime transportiert. Genau das hat Strache Stimmen gebracht.“ Parteien und Glaubensgemeinschaft sieht sie aufgefordert, dringend moderate Muslime zu fördern.

Mehr Selbstbewusstsein

Ekicis Vorwürfe gipfeln letztlich in der Frage, ob Muslime eher mit mehr Zurückhaltung oder mit mehr Selbstbewusstsein in der Öffentlichkeit dafür sorgen können, dass sie aus dem Fokus der politischen Angriffe verschwinden. Vonseiten der offiziellen Moslemvertreter ist die Stoßrichtung jedenfalls klar: Selbstbewusst. „Aber Selbstbewusstsein heißt nicht fordernd oder provozierend“, betont SP-Gemeinderat und IGGiÖ-Integrationssprecher Omar Al-Rawi.

Bei Debatten wie um den Bau von Minaretten solle man es am besten pragmatisch angehen – „Der Bau eines Minaretts steht derzeit nicht zur Debatte“. Und man müsse auch das Auftreten in der Gesellschaft ändern. Al-Rawi wörtlich: „Dass etwa im Park Kopftuchträgerinnen nicht immer nur unter sich bleiben, sondern sich mit anderen durchmischen.“

Ob das reicht, um jene 27 Prozent der Wahlberechtigten zu überzeugen, die am vergangenen Sonntag FPÖ gewählt haben? „Bei manchen ist es sinnlos“, gesteht Al-Rawi ein, „aber wir müssen ja nicht alle überzeugen. Nur einen Großteil.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2010)

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