Olympia 2021

Belarussische Sportlerin erhält humanitäres Visum in Polen

Kristina Timanowskaja beim Betreten der polnischen Botschaft in Tokio.
Kristina Timanowskaja beim Betreten der polnischen Botschaft in Tokio.REUTERS
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Sprinterin Kristina Timanowskaja, die gegen ihren Willen aus Tokio nach Minsk gebracht werden sollte, wird nach Polen ausreisen. Die Sportlerin sei in einem "sicheren und guten Zustand" in der polnischen Botschaft in Tokio.

Polen hat der belarussischen Olympionikin Kristina Timanowskaja, die nach eigenen Angaben nach Kritik an Sportfunktionären ihres Landes zur Rückkehr nach Belarus gezwungen werden sollte, ein humanitäres Visum ausgestellt. Die Athletin "steht bereits in direktem Kontakt mit polnischen Diplomaten in Tokio", erklärte Polens stellvertretender Außenminister Marcin Przydacz am Montag auf Twitter. "Sie hat ein humanitäres Visum erhalten."

Polen werde alles tun, "was notwendig ist, um ihr zu helfen, ihre Sportkarriere fortzusetzen", fügte er hinzu. Timanowskaja sei in "sicherem und gutem Zustand" an der polnischen Botschaft in Tokio. Sie werde in den nächsten Tagen nach Polen reisen, ergänzte Przydacz gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Ihr Ehemann bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, dass sie "wahrscheinlich nach Polen gehen" werde. Er selbst flüchtete nach eigenen Angaben aus dem autoritär regierten Belarus und hält sich demnach in Kiew in der Ukraine auf. Wegen des Konflikts seiner Frau mit den Behörden seien sie in ihrem Heimatland "nicht sicher".

Kritik an belarussischen Sportfunktionären

Die 24-jährige Sprinterin hatte Kritik in Online-Medien an den belarussischen Sportfunktionären geübt, weil sie bei den Olympischen Spielen in Japan ohne Rücksprache mit ihr für das 4x400-Meter-Rennen statt für den 200-Meter-Lauf aufgestellt worden war. Das belarussische Nationale Olympische Komitee (NOK) erklärte daraufhin, Timanowskaja scheide wegen ihres "emotionalen und psychologischen Zustands" aus dem Wettbewerb aus.

Die Athletin wies die Behauptung zurück und bat das Internationale Olympische Komitee (IOC) um Hilfe: "Ich stehe unter Druck, und sie versuchen, mich gegen meinen Willen außer Landes zu bringen", sagte sie in einem Video. Sie habe jedoch bei der japanischen Polizei um Schutz gebeten. Die Nacht von Sonntag auf Montag verbrachte sie unter Schutzvorkehrungen in einem Hotel auf dem Flughafen.

Auch Tschechien und Slowenien boten Hilfe an

Auch Tschechien und Slowenien hatten Timanowskaja Zuflucht angeboten. Frankreichs Europaminister Clément Beaune hatte sich für politisches Asyl für die 24-Jährige in der EU ausgesprochen. "Das wäre eine Ehre für Europa", sagte er dem Sender RFI. Die außenpolitische Sprecherin der österreichischen Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, forderte Hilfe aus Österreich. Das österreichische Außenministerium solle umgehend prüfen, wie Österreich in diesem Fall Zuflucht gewähren könnte, betonte sie in einer Aussendung am Montag. "Bürokratische Hürden dürfen dabei nicht im Wege stehen."

Zuvor hatte es Berichte einer Oppositionsgruppe gegeben, wonach Timanowskaja bei der österreichischen Botschaft in Tokio um Asyl anzusuchen versucht. Eine Bestätigung dafür gab es nicht. "Es hat bisher keine Kontaktaufnahme der Sportlerin mit der österreichischen Botschaft in Tokio gegeben", erklärte ein Sprecher des österreichischen Außenministeriums der APA am Sonntagnachmittag. ÖOC-Präsident Karl Stoss sagte, Timanowskaja sei an das UN-Flüchtlingskommissariat vermittelt worden.

Lukaschenko beklagte sich über Olympia-Abschneiden

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hatte sich am Donnerstag über das schlechte Abschneiden seines Landes bei den olympischen Sommerspielen beklagt. Man müsse sich mit den Trainern beschäftigen, die dafür in erster Linie die Verantwortung trügen, sagte er. Eine geleakte Tonaufzeichnung zeugte davon, dass Sportfunktionäre Timanowskaja nach ihrer Kritik an ihnen drohten und sie aufforderten, nach Belarus zurückzukehren sowie zu schweigen.

Lukaschenko regiert das Land seit 1994 mit harter Hand. Die Lage hat sich seit der Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020 massiv verschärft. Die mutmaßlich gefälschte Wahl wurde international nicht anerkannt. Gegen friedliche Proteste gingen die Behörden blutig vor. Sie reagierten mit Folter und Inhaftierungen. Oppositionelle, Menschenrechtsaktivisten und kritische Journalisten werden verfolgt. Mehr als 600 Namen befinden sich auf der Liste politischer Gefangener in Belarus.

(APA/Ap.)

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