Operation Luxor: Razzia laut OLG Graz rechtswidrig

Die Operation Luxor im November war laut OLG Graz rechtswidrig.
Die Operation Luxor im November war laut OLG Graz rechtswidrig.APA/BMI
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Im Herbst gab es zig Razzien bei angeblichen Muslimbrüdern. Das Oberlandesgericht Graz gab allen Beschwerden statt und erklärte die Razzien für rechtswidrig. Die Verdachtslage sei zu dünn.

m November 2020 starben bei einem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt vier Menschen. Knapp zwei Wochen später fanden zig Hausdurchsuchungen in Wien und Graz statt. Wohnungen wurden durchwühlt, Vermögen einkassiert, der Staat schrieb sich in Grundbücher. Die Verdächtigen sollen Terrororganisationen angehören und Terror finanzieren. Von den rund 70 Beschuldigten der „Operation Luxor“ haben neun Einspruch gegen die Maßnahmen erhoben. Das Oberlandesgericht Graz gibt ihnen nun Recht. Die Hausdurchsuchungen waren rechtswidrig, die Verdachtslage laut Gericht viel zu dünn.

Dazu wird die Beschlagnahmung von Gegenständen und Geld als teils rechtswidrig eingestuft. Und in zumindest einem Fall wurde das Vorgehen der Polizei als zu gewaltsam beurteilt. Beim OLG liegen noch weitere derartige Beschwerden, über die entschieden werden muss.

Das der „Presse“ vorliegende Urteil dürfte richtungsweisend sein. Denn das Gericht sieht die Muslimbruderschaft nicht als Terrororganisation. „Anders etwa als beim Islamischen Staat (IS), dessen terroristische Ausrichtung mittlerweile gerichtsnotorisch ist, tragen die aktenkundigen Verfahrensergebnisse aus Sicht des Beschwerdegerichts derzeit nicht die Verdachtsannahme, bei der Muslimbruderschaftschaft handle es sich (...) um eine weltweit homogene Gruppe“, die als Ganzes die juristisch verlangten Merkmale einer Terrororganisation aufweist. Es handle sich um eine „aus Millionen bestehende Massenbewegung“. Der Rückschluss, jede Person, die dieser Bewegung zugerechnet wird, sei ein Terrorist, sei schlicht falsch und darum unzulässig.

International hielte eine derartige Einschätzung auch nicht Stand. Die Bruderschaft gilt in Ägypten als Terrororganisation. Die ihr zuzurechnende palästinensische Hamas wird international als solche eingestuft. Gleichzeitig sitzt aber etwa eine zur Muslimbruderschaft zählende Fraktion in der aktuellen israelischen Regierung.

Scharfe Kritik des Gerichts

Eine reine Zurechnung zu dieser Gruppierung aufgrund von Mutmaßungen und schwammigen Indizien sei also noch kein Tatbestand, der solche Maßnahmen rechtfertigt, findet das Gericht. Aber auch im Einzelfall sieht das Gericht bei den Beschwerdeführern einen erhärteten Tatverdacht als nicht gegeben. In seinem Urteil findet man für das Vorgehen der Staatsanwaltschaft – und ihren Quellen – scharfe Worte. Da liest man etwa an einer Stelle, dass „Familienhaftung“ für sich allein aus Sicht des Beschwerdegerichts grundsätzlich keine taugliche Beweisführungsmethode ist“.

Und: „Die Verdachtsannahmen dürfen sich nicht in Mutmaßungen und Spekulationen erschöpfen, sondern müssen sich aus einer Bewertung zugänglichen Beweisergebnissen ableiten lassen.“ Die Ermittlungen standen von Anfang an auf wackeligen Beinen und begründen sich zu einem Gutteil auf ein Gutachten, das medial kritisch hinterfragt wird.

Auch im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) erachten Beamte die Einleitung der Ermittlungen als politisch motiviert. Obwohl manche Beamte keinen ausreichenden Anfangsverdacht sahen, wurden sie zu Strukturermittlungen angewiesen. Gegen Vorgesetzte wird ermittelt.

Die Stellungnahmen

Johannes Zink, Beschuldigtenanwalt, sagt zur „Presse“: „Das Oberlandesgericht Graz hat völlig zu Recht entschieden, dass es sich bei der Muslimbruderschaft um keine terroristische Organisation handelt. Die Staatsanwaltschaft Graz hat im Ermittlungsverfahren Mitglieder der Muslimbruderschaft pauschal mit Terroristen in einen Topf geworfen und damit Zwangsmaßnahmen begründet. Zu hinterfragen sein wird in weiterer Folge auch das im Ermittlungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten. Ich bin davon überzeugt, dass nun auch das laufende Ermittlungsverfahren in Kürze eingestellt werden muss.“

Auch Norbert Wess verteidigt eine Beschuldigte: „Wir sind sehr froh, dass das Oberlandesgericht Graz nun unseren Beschwerden vollinhaltlich stattgegeben hat, zumal wir im Verfahren selbst trotz dieser Rechtsmittel bereits unsere Sicht der Dinge umfassend dargelegt haben und daher auch schon vor einigen Monaten einen Einstellungsantrag gestellt haben, der bis dato unerledigt ist.“
Seitens der Staatsanwaltschaft Graz äußerte man sich am Dienstag vorerst nicht. Laut Sprecher Hansjörg Bacher sei die Entscheidung noch nicht offiziell eingelangt. Es handle sich aber um verschiedene Rechtsansichten, die zu akzeptieren seien. Das ändere nichts an den laufenden Ermittlungen, die jedenfalls weitergeführt würden.

Schweigsamer Minister

Schweigsam gab man sich auch im Innenministerium. „Entscheidungen der freien und unabhängigen Justiz kommentieren wir nicht“, hieß es gegenüber der „Presse“. Am Tag der Hausdurchsuchungen war Innenminister Karl Nehammer allerdings vor Ort. Er ließ sich mit schwer bewaffneten Polizisten ablichten, und verkündete kurz darauf bei einer Pressekonferenz, mit aller Härte gegen den politischen Islam vorgehen zu wollen. Und lobte die gute Ermittlungsarbeit.

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