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Bewerber für ORF-Chefposten: ORF 1 muss sich ändern

UEFA EURO 2020
UEFA EURO 2020(c) ORF (Roman Zach-Kiesling)
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Wie stellen sich Alexander Wrabetz, Lisa Trotzauer und Roland Weißmann das Fernsehen der Zukunft vor? In vielen Punkten ähneln sich ihre Konzepte.

In einem Punkt sind sich die drei aussichtsreichsten Bewerber für den ORF-Generaldirektorenposten einig: ORF 1 wird nicht so bleiben wie es ist. Das geht aus den Konzepten des amtierenden Generaldirektors Alexander Wrabetz, des ORF-Vizefinanzdirektors Roland Weißmann und der ORF 1-Channelmanagerin Lisa Totzauer hervor.

Für den auf jüngere Zielgruppen fokussierten Sender sei eine Umgestaltung "ohne Alternative", schreibt Wrabetz. Konkret kündigt er im Falle einer Wiederbestellung an, dem Sender eine zentrale Rolle im "Audience-Development-Prozess" der kommenden Jahre zukommen zu lassen. Die Kernzielgruppe will er auf die 25- bis 50-Jährigen verlagern.

Dieselbe Zielgruppe strebt auch Weißmann für ORF 1 in seinem Konzept an. In Zukunft will er verstärkt das Milieu der "Hedonisten" ansprechen, die lineare Angebote mehr als doppelt so lange nützen würden als die aktuell angesprochenen "digitalen Individualisten". Totzauer will mit ORF 1 ein noch jüngeres, urbaneres Publikum ansprechen und den Sender deutlicher von ORF 2 abgrenzen. Generell will sie die Flottenstrategie der einzelnen Sender jährlich überprüfen.

ORF 2 darf bleiben wie es ist

Auch in den Plänen zu den anderen TV-Sendern unterscheiden sich die Konzepte in vielerlei Hinsicht nicht sonderlich stark: ORF 2 stehe ganz gut da, ORF III müsse sein Profil schärfen und ORF Sport + teilweise auf den Player migrieren, so die grob skizzierten Vorhaben.

ORF 2 positioniert sich laut Totzauer in der Mitte der Gesellschaft und soll das weiterhin tun. Wrabetz will das Programmspektrum "behutsam weiterentwickeln" und ORF 2 wieder breiter aufstellen. "Dabei ist insbesondere der Unterhaltungsbereich zu stärken", so Wrabetz. Auch Weißmann will die Positionierung von ORF 2 nicht großartig antasten. Ziel sei es, ein modernes, authentisches Programm mit europäischer und globaler Sicht in der Berichterstattung zu gestalten.

Keine Wiederholungen in ORF III?

ORF III soll laut Weißmann als Kultur- und Informationskanal durch eine stärkere Fokussierung auf seinen Kernauftrag weiterentwickelt werden, um treffsichererer "gehobene und traditionelle Milieus" anzusprechen. Damit das gelingt, soll verstärkt auf Kontextualisierung von Inhalten gesetzt werden. Wrabetz meint, ORF III habe sich bisher gut entwickelt. Er will dem Sender künftig mehr Raum für popkulturelle Phänomene, der Freien Szene und alternative Kulturformen geben.

Totzauer plädiert ebenfalls für ein "geschärftes Profil" und somit Fokus auf Information und Kultur. Die Zweitverwertung von Serien und Filmen soll laut ihr künftig keinen Platz auf ORF III finden - sehr wohl aber Arthouse-Filme. Mit diesbezüglichen Interviewaussagen hat Totzauer die ORF III-Führung rund um Peter Schöber und Eva Schindlauer vergrämt. Die beiden übten in einer internen Mail, von der "Standard" und "Kurier" berichteten, Kritik an ihr. "Befremdlich, um nicht zu sagen rufschädigend" sei es, wie Totzauer sich zu ORF III äußere. Sie solle lieber ihre eigene Leistungsbilanz als ORF 1-Channelmanagerin in den Vordergrund stellen, anstatt die erfolgreiche Arbeit aus anderen Konzernbereichen zu kritisieren, so Schöber und Schindlauer.

ORF Sport + soll teilweise ins Internet wandern

ORF Sport + dürfte früher oder später teilweise auf den geplanten ORF-Player migrieren. So schreibt Totzauer, dass der Sender "im TV seine Stärken nur begrenzt ausspielen" könne. Daher werde ORF Sport + um eine starke Repräsentanz auf den zukünftigen On-Demand-Angeboten des ORF ergänzt.

Wrabetz plant eine "enge Verzahnung zwischen ORF Sport + und dem Sport-Modul des Players". Er überlegt, "den für den programmlichen Longtail im Sport geschaffenen TV-Kanal nach erfolgreicher Etablierung des ORF-Players zu migrieren und innerhalb der neuen Streaming-Plattform aufgehen zu lassen." Dies solle aber nicht vor 2025 stattfinden. Weißmann will die "Migration von ORF Sport + in den Sport-Screen" mit dem Aufbau der Reichweiten des ORF-Players synchronisieren.

Die Kandidaten präsentieren sich

ORF III übertragt am Montag, 9. August, ab ca. 17.30 Uhr eine Präsentation der Kandidaten: Der amtierende ORF-Chef Alexander Wrabetz, ORF 1-Channelmanagerin Lisa Totzauer, ORF-Vizefinanzdirektor Roland Weißmann und ORF-Technik-Vizedirektor Thomas Prantner haben je 15 Minuten für die Präsentation zur Verfügung. Die Reihenfolge wird per Losentscheid ermittelt.
Für einen "Neos Lab Talk" am 5. August haben Wrabetz, Weißmann, Totzauer, Prantner und der ORF-Journalist Julius Kratky zugesagt. Am selben Tag lädt auch der ORF-Zentralbetriebsrat zu einem internen Hearing.

Am Dienstag endete um 12 Uhr die Frist für Stiftungsräte, Nachnominierungen für die Generaldirektorenwahl am 10. August vorzunehmen. Niemand machte davon Gebrauch.

(APA/Red.)

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