Endbericht

Durchstartmanöver einer AUA-Maschine in Salzburg war "bedrohlich"

Archivbild einer AUA-Maschine im Hangar am Flughafen Wien.
Archivbild einer AUA-Maschine im Hangar am Flughafen Wien.Die Presse/Clemens Fabry
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Die Behörde ließ den Zwischenfall von 2017 eingehend prüfen. Die Piloten vergaßen im „Schreckmoment“ nach der Entscheidung zum Landungsabbruch darauf, den sogenannten „Toga-Schalter“ zu betätigen.

Das Luftfahrtmagazin "Austrian Wings" hat jetzt den Abschlussbericht der Untersuchungskommission über einen offenbar gefährlichen Zwischenfall bei einem Durchstartmanöver einer AUA-Maschine im Oktober 2017 in Salzburg veröffentlicht. Weil die Piloten nicht korrekt die notwendige Schubleistung setzten, aktivierte sich die Überziehwarnung. Erst nach mehr als einer Minute bemerkte die Crew ihren Fehler und korrigierte ihn. Das Flugzeug setzte schlussendlich sicher auf der Piste auf.

Zwar befand sich die Maschine des Typs Embraer 195 während des gesamten Manövers im Steigflug, hatte zeitweise jedoch nur noch rund 200 Meter Höhe über Grund. Die Untersuchungskommission kam zu der Schlussfolgerung, dass der "überzogene Flugzustand in Verbindung mit geringer Flughöhe eine bedrohliche beziehungsweise gefährliche Situation dargestellt" habe.

Scherwinde und der vergessene Toga-Schalter

Die Besatzung führte an jenem 27. Oktober bei schlechtem Wetter mit heftigen Regenschauern und Gewitterzellen in der Nähe einen ILS-Anflug (Instrumentenlandesystem, Anm.) auf die Piste 15 des Salzburger Flughafens durch. An Bord befanden sich zwei Luftfahrzeugführer, drei Flugbegleiter sowie 97 Passagiere. Auf dem Jumpseat im Cockpit flog noch ein privat reisender Pilotenschüler der AUA mit. Rund 2,3 nautische Meilen vor der Pistenschwelle erhielten die Piloten aufgrund von Scherwinden eine Windshear-Caution-Anzeige, woraufhin der damals 44-jährige Kapitän die Entscheidung für ein Durchstartmanöver traf.

Die Schubhebel wurden manuell auf entsprechende Leistung gestellt, jedoch verabsäumten es die Piloten, die sogenannten „Toga-Schalter" (Abkürzung für "Take-Off/Go-Around") zu drücken. Gleichzeitig hob der Pilot die Nase für das Durchstartmanöver stark an. Weil jedoch die Toga-Schalter nicht betätigt worden waren, fuhr der Bordcomputer die Leistung der Triebwerke automatisch wieder auf den vorherigen Wert herunter.

Über eine Minute bis zur Korrektur des Fehlers

In der Folge fiel die Geschwindigkeit von den Piloten augenscheinlich unbemerkt bis zu jenem kritischen Wert ab, an dem die Stall-Warnung sowie der Stickshaker aktiv wurden. Erst nach insgesamt 73 Sekunden bemerkten die Piloten ihren Fehler und aktivierten die TOGA-Schalter, wodurch sie die für ein sicheres Durchstartmanöver benötigte Triebwerksleistung abrufen konnten.

Trotzdem befand sich die Maschine nach Einleiten des Durchstartmanövers zu keinem Zeitpunkt im Sinkflug, sondern kontinuierlich in einem - wenn auch flachen - Steigflug mit einer Steigrate von zunächst 1900 Fuß pro Minute, die sich sukzessive zeitweise auf bis zu 200 Fuß pro Minute abflachte. Nach zwei Warteschleifen setzte die Maschine schließlich sicher auf der Piste des Flughafens Salzburg auf.

Die AUA meldete den Zwischenfall an die zuständige Behörde und führte auch eine interne Untersuchung der Störung des Flugbetriebs durch, da es in Verbindung mit Anflügen bei schlechtem Wetter einige "ähnliche Zwischenfälle" gegeben habe.

Im Herbst 2017 verschickte die AUA intern ein Memo an ihre Piloten mit folgendem Inhalt: "Die Starkwind-Tage Ende Oktober waren fliegerisch anspruchsvoll und hatten zahlreiche Windshear Escape Maneuvers und einige Diversions zur Folge. Die Untersuchungen sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Die Auswertung der Daten hat jedoch durchaus ernste Ergebnisse für unsere Flotte gebracht. Gemeinsam mit Flight Safety, Flugbetrieb und Flotte sind wir dabei, etwaige Schwachstellen zu analysieren und möglichst rasch und zielgerichtet Maßnahmen zu ergreifen, um unsere Performance zu verbessern."

„Surprise and startle effect"

Die Untersuchungskommission nennt in ihrem jetzt veröffentlichten Abschlussbericht als wahrscheinlichen Grund für das Fehlverhalten der Besatzung folgende Punkte: "Durch die unerwartete Windshear-Anzeige unterlagen beide Piloten vermutlich dem sogenannten "Surprise and startle effect" (Überraschungs- und Schreckmoment). Der 'startle effect' verursacht aufgrund eines unerwarteten (bedrohenden) Ereignisses kurzfristige, unwillkürliche physiologische und kognitive Reaktionen, die normale menschliche Stressreaktionen auslösen." Das vorherrschende Wetter, mit teils stark böigem Wind aus variablen Windrichtungen, habe Einfluss auf den gegenständlichen Vorfall gehabt.

Die AUA gab der Austrai Presse Agentur am Dienstag eine schriftliche Stellungnahme zu dem Endbericht der Untersuchungskommission ab. Bei dem Vorfall am 27. Oktober 2017 habe es eine Windscherung bei einem Anflug in Salzburg aufgrund einer Schlechtwetterlage (Herbststürme, Gewitter) gegeben. "Die Crew hat den Anflug richtigerweise abgebrochen und während dem Fehlanflugverfahren kam es zu einer Verfahrensabweichung aufgrund des Überraschungseffekts", hieß es. "Diese Abweichung wurde letzten Endes behoben, weshalb das Flugzeug in weiterer Folge auch sicher landen konnte. Dennoch wurde diese Verfahrensabweichung von Austrian Airlines intern und auch von der Behörde untersucht."

Vorfall in Schulung aufgenommen

Wie aus dem Abschlussbericht ersichtlich, sei der Toga-Button aufgrund des Überraschungseffektes nicht gedrückt worden. "Austrian Airlines ist wichtig zu betonen, dass in der gesamten Branche eine Fehler- und Vertrauenskultur (Just Culture) gelebt wird. Das Austrian Airlines Team lernt aus Fehlern und geht mit diesen transparent um." Das beweise auch die interne Aufarbeitung, die im Bericht beschrieben sei. "Beispielsweise wurde dieser Vorfall in Schulungen aufgenommen und die Ausbildung sowie das Trainingsverfahren entsprechend angepasst bzw. wurden Trainingsschwerpunkte über das gesetzliche Ausmaß hinaus gesetzt."

(APA)

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