Morgenglosse

Die schöne neue Einkaufswelt

(c) imago images/Michael Gstettenbauer (Michael Gstettenbauer via www.imago-images.de)
  • Drucken

Die Handelslandschaft befindet sich im Umbruch. Immer mehr Online-Anbieter drängen mit schrillen Angeboten auf den Markt, nun auch im Lebensmittel-Bereich. Das sollte nicht nur die alteingesessenen großen Supermarktketten kümmern, sondern auch die Politik.

Wen heutzutage die Einkaufslust überkommt, der kann diese zu jeder Tag- und Nachtzeit und von überall aus befriedigen. Die eigenen vier Wände muss man dafür längst nicht mehr verlassen, einzig eine stabile Internetverbindung wäre nicht schlecht. Spätestens seit dem vergangenen Jahr der unzähligen Lockdowns ist der Onlinehandel auch hierzulande endgültig angekommen – als Gewinner der Krise, sozusagen. Amazon ist dabei nicht der einzige Profiteur der Pandemie, auch viele heimische Händler, die ihre digitalen Hausaufgaben erledigt haben, verbuchten im vergangenen Jahr gute Geschäfte.

Neu ist, dass diese Entwicklung nun auch den täglichen Einkauf erreicht. Internationale Anbieter sehen im österreichischen Lebensmittelmarkt großes Potenzial und locken mit sportlichen Versprechen: wenige Minuten nach der Bestellung via App steht der Einkauf schon vor der Tür. Wer das einmal ausprobiert hat, wird es wieder und wieder tun. „Convenience“ heißt hier das Zauberwort – als Konsumentin und Konsument will man es eben möglichst einfach haben. Anstatt sich beim Einkaufen mit überfordertem Personal und gereizten „Zweite Kassa!“-Rufen herumschlagen zu müssen, reichen ein paar Klicks. Höchstens 15 Minuten später ist der Einkauf zugestellt – mit diesem Versprechen kommt gerade der New Yorker Schnell-Lieferdienst Jokr nach Wien. Als Kunde spart man sich Zeit und Nerven.

Die großen heimischen Lebensmittelhändler haben die digitale Entwicklung bisher verschlafen und so sind es vor allem internationale Start-ups, die hier das große Geschäft wittern. Mehr als 20 Milliarden Euro werden am österreichischen Lebensmittelmarkt jährlich umgesetzt. Liegt der Online-Anteil heute erst bei rund einem Prozent, wird dieser in den kommenden Jahren nach oben schießen, sind sich Investoren sicher. Sie lassen derzeit Unsummen in den Infrastruktur-Ausbau der superschnellen Onlinehändler fließen. Je schneller und attraktiver diese werden, desto mehr Kunden werden aus dem stationären Handel abziehen.

Politik muss Weichen stellen

Der digitale Umbruch des Handels sollte neben den alteingesessenen Supermarktketten auch die Politik kümmern. Will man der traditionell starken heimischen Handelslandschaft im Wettbewerb mit den internationalen Online-Anbietern den Rücken stärken, könnte man etwa die rigiden Ladenöffnungszeiten überdenken. Handlungsbedarf gibt es auch in der Standortpolitik: Seit Jahren verlagern sich Einkaufszentren und Supermärkte in die Peripherie, während die Ortskerne zusehends verwaisen. Anstatt die Stadtzentren für Bürgerinnen und Bürger dadurch unattraktiv zu machen, sollten sich die Stadtplaner eher darauf konzentrieren, den Autoverkehr aus den Innenstädten zu verbannen, sind sich Experten weitgehend einig. Wie aber umgehen mit der zunehmenden Zahl an Lieferwägen, die immer mehr Onlinebestellungen an deren Empfängerinnen und Empfänger verteilt? Und was bedeutet es langfristig für die mehr als 100.000 Supermarkt-Angestellten, wenn künftig selbst der tägliche Einkauf von Online-Zustellern erledigt wird? Es wird die Aufgabe zukunftsorientierter Kommunal-, Arbeitsmarkt- und Standortpolitik sein, auf diese Fragen die richtigen Antworten zu finden.

Aus Konsumentensicht bleibt die Frage: Wozu überhaupt noch raus gehen, in dieser schönen neuen Einkaufswelt?

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.