Afghanistan

Explosion in Kabul bei Haus von Verteidigungsminister

Luftaufnahme von Kabul.
Luftaufnahme von Kabul.REUTERS
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Eine riesige Rauchwolke hängt über der afghanischen Hauptstadt. Die Ursache ist vorerst unklar. Die USA haben ihren Truppenabzug aus Afghanistan unterdessen zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen.

In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind bei einer Explosion in der Nähe des Hauses des Verteidigungsministers mehrere Menschen verletzt worden. Mindestens sechs Patienten seien gebracht worden, teilte die Nichtregierungsorganisation Emergency, die ein Krankenhaus im Zentrum Kabuls betreibt, am Dienstag auf Twitter mit.

Der Politiker Yunus Kanuni sagte in einer über Whatsapp geteilten Sprachnachricht, die Explosion habe sich bei einem Gästehaus des amtierenden Verteidigungsministers Bismillah Khan Mohammadi ereignet. Der Minister selbst sei zur Zeit der Explosion mit ihm bei einer Trauerfeier gewesen. Nach Angaben eines Gehilfen des Ministers sei dessen Familie in Sicherheit gebracht worden.

Details des Vorfalls blieben zunächst unklar. Das Innenministerium bestätigte lediglich eine Explosion im Stadtteil Sherpur im Zentrum der Stadt, in dem viele hochrangige Politiker und Regierungsvertreter leben. Ein Sprecher der Kabuler Polizei teilte mit, Sicherheitskräfte und Spezialeinheiten der Polizei seien vor Ort.

Schüsse und Angreifer?

Nach der ersten massiven Explosion waren in der Folge noch mindestens zwei weitere kleinere Explosionen im Zentrum zu hören. Lokale Medien berichteten zudem von Schüssen und davon, dass Angreifer in das Gästehaus eingedrungen seien.

Bisher bekannte sich niemand zu dem Angriff. In der Vergangenheit reklamierten die militant-islamistischen Taliban sowie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Anschläge in Kabul.

In der Hauptstadt Kabul war die Zahl der großen Anschläge mit Autobomben und Selbstmordattentätern seit Anfang 2020 zurückgegangen. Zuletzt waren im Mai bei drei kurz aufeinander folgenden Explosionen im Westen der Stadt mindestens 85 Menschen, der Großteil von ihnen Schulmädchen, getötet worden.

Taliban wollen „Löwenanteil der Macht"

Die radikal-islamischen Taliban verlangen nach US-Angaben für eine Friedenslösung den "Löwenanteil an der Macht" in Afghanistan. Der US-Sondergesandte Zalmay Khalilzad sagte am Dienstag in einer Online-Konferenz des Aspen Security Forums, die Taliban wollten angesichts der militärischen Lage den größten Teil der nächsten Regierung in Kabul übernehmen.

Khalilzad, der maßgeblich die Modalitäten des Abzugs der US-Truppen mit den Taliban ausgehandelt hat, sagte weiter, derzeit werde in Afghanistan um die Verteilung der Macht zwischen den verschiedenen Gruppierungen gekämpft.

US-Truppenabzug beinahe abgeschlossen

Die USA haben ihren Truppenabzug aus Afghanistan zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen. Das teilte das US-Verteidigungsministerium am Dienstag in Washington mit. Bis Ende August wollen die USA ihren Militäreinsatz in Afghanistan vollständig beenden - nach knapp 20 Jahren. Danach sollen nur noch US-Soldaten zum Schutz der Botschaft in Afghanistan bleiben. Mit der Abzugsentscheidung der Amerikaner endet auch der Einsatz der Nato insgesamt.

US-Außenminister Antony Blinken telefonierte am Dienstag mit dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani, wie das amerikanische Außenamt mitteilte. Beide hätten die andauernden Attacken der Taliban verurteilt und die Notwendigkeit betont, die Bemühungen um eine politische Lösung für das Land zu beschleunigen.

Gefechte um Lashkargah

Die andauernden Gefechte in der Provinzhauptstadt Lashkargah im Süden Afghanistans fordern unterdessen immer mehr zivile Opfer. Binnen 24 Stunden seien in der Stadt mindestens 40 Zivilisten getötet und 118 verletzt worden, teilte die UN-Mission in Afghanistan (UNAMA) am Dienstag auf Twitter mit. Sollten die Parteien nicht mehr für den Zivilschutz in Afghanistan tun, drohten "katastrophale" Auswirkungen.

Am Dienstag griffen die militant-islamistischen Taliban dem Provinzrat Ataullah Afghan zufolge in Lashkargah im Zentrum in der Nähe des Gouverneurssitzes und der Polizeizentrale an. Die Regierung hält nur mehr zwei der zehn Polizeibezirke der Stadt. Sollte Kabul keine Verstärkung schicken, drohe die Hauptstadt der Provinz Helmand an die Islamisten zu fallen, sagte Afghan. Die Verteidiger würden seit elf Tagen praktisch ohne Schlaf kämpfen. Ihr größtes Problem sei, dass sich Taliban-Kämpfer in Wohnhäusern verschanzt hielten.

Laut Verteidigungsministerium gab es weitere Luftangriffe auf Taliban-Stellungen in der Stadt. Lokale Journalisten berichteten, diese hätten auch zivile Einrichtungen getroffen, darunter eine private Universität und eine Fabrik.

Helmand: Medien stellen Betrieb ein

Der Journalistenorganisation NAI zufolge haben in Helmand mindestens 15 Medienorganisationen, darunter fünf Fernsehstationen, wegen der Sicherheitslage den Betrieb eingestellt. Am Montag seien Taliban in die Räumlichkeiten der staatlichen Rundfunkanstalt RTA eingedrungen und hätten vier Stunden lang selbst ein Programm gesendet.

Berichte über Dutzende Tote und Hunderte Verletzte in den vergangenen zehn Tagen gab es auch aus den Städten Herat und Kandahar. In Herat schlugen am Dienstag dem lokalen TV-Sender ToloNews zufolge zwei Raketen in der Nähe der Flughafen-Rollbahn ein. Ein Flugzeug, das gerade hätte landen sollen, sei nach Kabul zurückgekehrt.

Präsident gibt plötzlicher US-Entscheidung Schuld

In einer Ansprache vor beiden Kammern des Parlaments hatte der afghanische Präsident Ashraf Ghani am Montag die "plötzliche Entscheidung" der USA und der Nato-Truppen zum Abzug für die Verschlechterung der Sicherheitslage verantwortlich gemacht. Er versprach, binnen sechs Monaten für Stabilität im Land zu sorgen.

(APA/AFP/Reuters/dpa)

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