Olympia 2021

Sprinterin Timanowskaja auf dem Weg nach Warschau

APA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER
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Die belarussische Olympiasportlerin landete am Nachmittag in Wien, wollte sich aber nicht vor der Presse äußern.

Die belarussische Athletin Kristina Timanowskaja hat Österreich am Mittwoch an Bord einer Maschine der polnischen Airline LOT in Richtung Warschau verlassen. Das bestätigte das Wiener Außenministerium am Abend. Ein Sprecher erklärte, dass die 24-Jährige während ihres Aufenthaltes am Flughafen Wien keinen Asylantrag gestellt habe. Sie habe sich zudem nur im Transitbereich aufgehalten. Timanowskaja hatte für Polen ein humanitäres Visum erhalten.

Die Sportlerin war am Nachmittag in Wien gelandet, wo sie von Luftfahrtsstaatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) in Empfang genommen wurde. Sie wollte sich Brunner zufolge in Wien nicht vor der Presse äußern. Laut Agenturberichten ist aber voraussichtlich am Donnerstag in der polnischen Hauptstadt eine Stellungnahme vor der Presse geplant. Auf ihren Weiterflug in die polnische Hauptstadt hatte sie im VIP-Terminal des Flughafens gewartet. Polen hatte der Athletin, die nach Konflikten mit Sportfunktionären von den Olympischen Spielen in Tokio nicht in ihn Heimatland zurückkehren will, ein humanitäres Visum ausgestellt. Brunner bestätigte, dass Polen Timanowskaja während des Fluges von Tokio nach Wien Begleitung zur Verfügung gestellt hatte.

Während ihres Zwischenaufenthaltes in Österreich wurde die Sportlerin von österreichischen Polizeibeamten geschützt. "Für uns ist oberste Priorität, dass Kristina Timanowskaja jetzt in Sicherheit ist. Das ist das Entscheidende", sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in einer Stellungnahme. Ob die Belarussin letztlich in Polen, Österreich oder anderswo Schutz finden werde, "wird sich weisen und hängt auch von ihr ab", so der Minister. Österreich stehe jedenfalls bereit, ihr zu helfen, wiederholte er.

Timanowskaja könne "selbstverständlich“ auf Unterstützung zählen

Bereits am Vormittag hatte es aus dem Außenamt geheißen, dass Timanowskaja "selbstverständlich" auf Unterstützung zählen könne, solle sie doch in Österreich einen Asylantrag stellen wollen. In den vergangenen Tagen hatten mehrere Staaten angeboten Timanowskaja aufnehmen zu wollen. Die Sportlerin sei in Österreich "herzlich willkommen und kann auf unsere bestmögliche Unterstützung zählen". Das Innenministerium in Wien äußerte sich in einer Mitteilung in ähnlichen Worten: Falls die Athletin einen Asylantrag stellen wolle, wird dieser im Rahmen der geltenden Gesetzeslage abgewickelt.

Beide Ministerien bestätigten gleichzeitig, dass die Sportlerin nach österreichischen Informationen noch am Mittwoch nach Warschau weiterreisen werde. Auch der Ehemann Timanowskajas soll noch am Mittwoch nach Warschau kommen, wie eine Organisation der belarussischen Opposition in Polen mitteilte. Auch er habe ein humanitäres Visum für Polen erhalten, bestätigte ein Regierungssprecher am Nachmittag.

Ursprünglich hatte es geheißen, dass Timanowskaja mit der polnischen Airline LOT nach Warschau fliegen werde. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte allerdings mit Berufung auf Augenzeugen vermeldet, dass die Sprinterin von Tokio-Narita aus nicht nach Warschau, sondern nach Wien-Schwechat abgeflogen sei. Konsulatsmitarbeiter hätten ihre Flugroute aufgrund von Sicherheitsbedenken geändert, hieß es demnach aus Kreisen der belarussischen Gemeinschaft. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Tass ist die Entscheidung von der polnischen Botschaft getroffen worden, da auf dem ursprünglichen Flug auch mehrere ausländische Journalisten einen Platz gebucht hätten.

Polen unglücklich über Bekanntwerden der Reiseroute

Die Sportlerin dürfte nach der Ankunft in Wien allerdings umgehend nach Warschau weiterreisen, wie ein Sprecher des österreichischen Außenministeriums sagte. Der in Polen lebende belarussische Exilpolitiker Pawel Latuschko hatte zuvor getwittert, Timanowskaja werde noch am Mittwoch in Warschau ankommen. Laut Flugplan des Flughafens Wien-Schwechat gibt es nach der Ankunft des Fluges aus Tokio am Nachmittag noch zwei Möglichkeiten (um 18.05 und um 19.05 Uhr), um von Wien nach Warschau zu fliegen.

Polen zeigte sich gleichzeitig eher unglücklich darüber, dass die Reiseroute der Athletin über Wien bekannt geworden war. Aus polnischen Regierungskreisen hieß es gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dieser Umstand sorge für "Sicherheitsbedenken". Die Quelle erinnerte dabei an die erzwungene Landung eines Ryanair-Fluges in Minsk im Mai. Der Flieger war damals zwischen den EU-Ländern Litauen und Griechenland unterwegs gewesen. Der im Flugzeug befindliche regierungskritische belarussische Blogger Roman Protassewitsch und seine Freundin wurden von den belarussischen Behörden festgenommen.

Die belarussische Sportlerin beim AUA-Schalter.
Die belarussische Sportlerin beim AUA-Schalter.(c) Reuters

IOC setzt Disziplinarkommission ein

Das IOC hat indes im Fall Timanowskajas eine Disziplinarkommission eingesetzt. Diese solle die Tatsachen in dem Skandal um die mutmaßlich von belarussischen Behörden versuchte Entführung der Leichtathletin aus Tokio feststellen, sagte IOC-Sprecher Mark Adams am Mittwoch. Verantworten sollen sich vor allem der Leichtathletik-Cheftrainer von Belarus (Weißrussland) und der stellvertretende Direktor des nationalen Trainingszentrums.

Timanowskaja hatte am Sonntag erklärt, sie sei nach einer Beschwerde über ihre Trainer zum Flughafen Tokio gebracht worden, um gegen ihren Willen in ihre Heimat zurückgeschickt zu werden. Nach Angaben des belarussischen Oppositionspolitikers Pawel Latuschko wurde an die österreichischen, deutschen und polnischen Behörden appelliert. "Die erste Rückmeldung haben wir aus Polen bekommen und sie hat sich dazu entschieden, dorthin zu gehen", hatte Latuschko am Montag in der ZiB2 erklärt.

Außenminister Alexander Schallenberg erklärte später, dass Österreich bereit gewesen wäre, Kristina Timanowskaja aufzunehmen. Schallenberg sagte laut „Presse“: "Wir haben sie erwartet. Es liegt an ihr, wofür sie sich entscheidet." Die österreichische Botschaft in Tokio sei darauf eingestellt gewesen, der Leichtathletin zu helfen. Doch Timanowskaja habe sich nicht gemeldet. "Österreich duckt sich nicht weg." Timanowskaja hat auch Beziehungen zu Österreich. ÖLV-Nationaltrainer Philipp Unfried schreibt die Trainingspläne für sie.

Timanowskaja übte Kritik

Der 24-jährigen Sprinterin ging es nach eigenen Angaben nicht um Politik. Sie hatte Kritik in Online-Medien an den belarussischen Sportfunktionären geübt, weil sie bei den Spielen in Japan ohne Rücksprache mit ihr für das 4x400-Meter-Rennen statt für den 200-Meter-Lauf aufgestellt worden war. Das belarussische Nationale Olympische Komitee (NOK) erklärte daraufhin, Timanowskaja scheide wegen ihres "emotionalen und psychologischen Zustands" aus dem Wettbewerb aus.

Unterdessen wollen weitere Athleten aus Belarus ihre Heimat verlassen. Die Siebenkämpferin Jana Maximowa schrieb auf Instagram, sie und ihr Ehemann, der Zehnkämpfer Andrej Krawtschenko, wollten künftig in Deutschland leben. In Belarus könne man seine Freiheit und sein Leben verlieren. "Hier ist die Chance, tief durchzuatmen und zu denjenigen zu gehören, die für die Freiheit ihres Volkes, ihrer Freunde, Verwandten und Lieben kämpfen", schrieb sie zu einem Bild, das sie gemeinsam mit ihrem Kind zeigt.

In Belarus regiert seit 1994 Präsident Alexander Lukaschenko, der mit harter Hand gegen Kritiker vorgeht. Laut Amnesty International mussten bereits viele belarussische Sportlerinnen und Sportler ihre Karriere und ihre Freiheit aufgeben, weil sie sich gegen die Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land aussprachen. Nach Angaben der Belarusian Sport Solidarity Foundation (BSSF) sind bisher 95 Athleten wegen der Teilnahme an friedlichen Protesten inhaftiert worden. Sieben belarussische Sportler seien aufgrund ihrer friedlichen Regierungskritik wegen politischer Vergehen angeklagt, 35 Athleten und Trainer aus dem Nationalteam ausgeschlossen worden.

(APA)

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