Gastbeitrag

Was vom deutschen Afghanistan-Einsatz bleibt

Peter Kufner
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Deutschland und die Europäische Union sollten bei ihrer Linie bleiben und bewaffnete Konflikte um jeden Preis vermeiden.

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Am 29. Juni 2021 fiel die Pressemitteilung über den Abzug der letzten deutschen Soldaten aus Afghanistan zusammen mit dem Ausscheiden der deutschen Fußballer bei der Europameisterschaft 2020 gegen England.
Die Nachlese der früher als erwartet heimgekehrten Nationalmannschaft nahm tags darauf mehr Raum in den Nachrichten ein als die viel später als erwartet aus Zentralasien zurückgekehrte Bundeswehr. Das ist aus vielen Gründen schade: Während sich die deutsche Fußballmannschaft bis zur Weltmeisterschaft 2022 in Katar sicher wieder berappeln wird, hat der Einsatz in Afghanistan die deutsche und damit auch die europäische Sicherheitspolitik für immer verändert.
Afghanistan war der längste und tödlichste Einsatz in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Im Jahr 2001 beschloss Deutschland als Teil der internationalen Koalition, Truppen nach Afghanistan zu schicken, um die Taliban zu besiegen. Dies geschah zwei Jahre nachdem der erste deutsche Militäreinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Knall begonnen hatte: Im Mai 1999, als die Grünen darüber berieten, ob sie der Bombardierung Serbiens wegen seines Vorgehens im Kosovo zustimmen sollten, bewarf ein pazifistisches Parteimitglied Joschka Fischer – damals Außenminister – mit einem Farbbehälter und verletzte sein Trommelfell.

EU als geopolitische Kraft

Jetzt, 20 Jahre später, werden die Lehren, die aus Deutschlands Erfahrungen in Afghanistan zu ziehen sind, die nächste Zukunft der Europäischen Union als geopolitische Kraft bestimmen.
Klar ist: Obwohl Deutschland das zweitgrößte Truppenkontingent stellte, ändert der Abzug nichts am Schicksal Afghanistans. Der amerikanische Truppenabzug wird den Taliban den Weg ebnen, um ihre Herrschaft vom Land aus auf die Städte auszuweiten. Die Entscheidung der USA, sich zurückzuziehen, führt Berlin und auch Brüssel vor Augen, dass die Vereinigten Staaten – unabhängig davon, wer gerade im Weißen Haus sitzt – in erster Linie China als größte Herausforderung für eine globale Ordnung im Sinne der US-Interessen im Blick haben. Im Gegenzug scheint Washington weniger geneigt zu sein, die Führung in politischen und sicherheitspolitischen Krisen zu übernehmen, die nicht direkt das eigene Land betreffen. Nicaragua und Guatemala haben Vorrang vor dem Nordirak oder Georgien.

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