Prozessbeginn

"Sex-Kult"-Vorwürfe: Ex-Popstar R. Kelly erstmals vor Gericht

Gerichtszeichnung von R. Kelly aus einer Anhörung im Juni.
Gerichtszeichnung von R. Kelly aus einer Anhörung im Juni.REUTERS
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In den 90er-Jahren zum Superstar, doch dann folgte ein tiefer Fall - In New York muss sich Kelly nun wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger verantworten. 25 Jahre nach ersten Vorwürfen. Und weitere Prozesse könnten folgen.

Eigentlich hätte es längst losgehen sollen. Für Mai 2020 war der Prozess gegen den einstigen Pop-Superstar R. Kelly ursprünglich angesetzt, aber in der Corona-Pandemie wurde der Termin immer weiter verschoben. Der 54-Jährige sitzt seit Sommer 2019 im Gefängnis - bevor der Prozess gegen ihn am Montag (9. August) im New Yorker Stadtteil Brooklyn mit der Auswahl der Geschworenen dann doch endlich losgehen kann. Am 18. August sollen die Auftaktplädoyers folgen.

Die Vorwürfe gegen den einstigen Weltstar sind heftig: Kelly muss sich laut Anklageschrift unter anderem wegen Erpressung und sexueller Ausbeutung Minderjähriger verantworten. Gemeinsam mit einem Team von Angestellten soll Kelly jahrelang Mädchen und Frauen zum Sex gezwungen haben. Der Prozess soll mehrere Wochen dauern. Bei einer Verurteilung könnte dem Sänger eine jahrzehntelange Haftstrafe drohen - außerdem liegen auch noch in Chicago und Minnesota ähnlich lange Anklageschriften gegen ihn vor, die nach dem New Yorker Prozess abgearbeitet werden sollen. Kelly hat alle Vorwürfe immer wieder zurückgewiesen und seinen Kritikern eine Rufmord-Kampagne vorgeworfen.

Erste Vorwürfte vor 25 Jahren

Bis zuletzt blieben die Fronten in dem Verfahren turbulent: Die Staatsanwaltschaft brachte wenige Wochen vor dem Prozessbeginn noch neue Vorwürfe gegen den Sänger ein. Kelly habe im Gefängnis an Gewicht zugenommen und so gut wie kein Geld mehr, brachte das Verteidigerteam an - in dem es zudem offene Unstimmigkeiten und Auswechselungen gab. Und von einigen Medienvertretern gab es Beschwerden, dass im Gerichtssaal zunächst keine Journalisten zugelassen waren. Aufgrund der Corona-Pandemie dürften dort nur die Geschworenen und Teilnehmer der beiden Prozess-Parteien anwesend sein, hatte Richterin Ann Donnelly verfügt. Für alle anderen würden Live-Übertragungen in andere Gerichtsräume zur Verfügung gestellt.

Die ersten Anschuldigungen gegen den 1967 in Chicago geborenen Robert Sylvester Kelly waren bereits vor rund 25 Jahren bekannt geworden. Aber der Musik-Koloss schien unangreifbar auf seinem Pop-Thron - mit mehr als 50 Millionen verkauften Alben, mehreren Grammys und anderen Auszeichnungen gehörte er zu den erfolgreichsten Musikern des späten 20. Jahrhunderts. Seine später annullierte Kurz-Ehe mit der damals erst 15 Jahre alten Sängerin Aaliyah Mitte der 90er-Jahre wurde zunächst nur hinter vorgehaltener Hand kritisiert, weitere Berichte über Beziehungen zu Minderjährigen weitgehend ignoriert.

Außergerichtliche Einigung, neue Vorwürfe #MeToo

Mehrere Gerichtsverfahren wegen Geschlechtsverkehrs mit Minderjährigen wurden außergerichtlich beigelegt, in einem Prozess wegen des Besitzes von Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs wurde Kelly freigesprochen. Aber dann ballte es sich um 2017 zusammen - gleichzeitig mit dem Aufkommen der #MeToo-Bewegung gegen sexuelle Belästigung: Kellys zweite Ehefrau Andrea, mit der er zwischen 1996 und 2009 verheiratet war, macht ihrem Ex-Mann schwere Vorwürfe. Er habe sie emotional, körperlich und sexuell missbraucht, sie habe in der Ehe um ihr Leben gefürchtet. Zudem gab es Berichte, dass der Sänger einen "Sex-Kult" betreibe, auf mehreren Anwesen junge Frauen festhalte und zum Sex zwinge.

Die Aufsehen erregende Dokumentation "Surviving R. Kelly" fasste das alles Anfang 2019 zusammen. Darin kam auch Sänger-Kollege John Legend zu Wort, der sich selbst und die gesamte Musikindustrie scharf kritisiert: "Wir haben zu lange weggeschaut." Immer mehr Stars distanzierten sich daraufhin von Kelly, zudem Radiosender, Streaming-Dienste und schließlich auch sein Musiklabel RCA, das zu Sony Music gehört. Im Sommer 2019 wurde Kelly schließlich in Chicago festgenommen, als der "I Believe I Can Fly"-Sänger gerade mit seinem Hund "Believe" spazieren ging.

Nun dürfte der Musiker, der zuletzt 2016 ein Album herausgebracht hat, gleich mehrere lange Prozesse vor sich haben. Anhänger der #MeToo-Bewegung sähen ihn gerne weiter hinter Gittern - wie bereits, zumindest zeitweise, den Schauspieler Bill Cosby und den früheren Hollywood-Mogul Harvey Weinstein.

(APA/dpa)

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