Der deutsche Cartoonist Martin Perscheid ist 55-jährig an Krebs gestorben. Er schuf über 4300 Zeichnungen, auch das „Spectrum“ der „Presse“ hat viele gebracht.
„Auf unserer Comic-Seite tun sich von nun an wieder Abgründe auf – Cartoonist Martin Perscheid sei Dank!“ Dieser Satz stand am Donnerstag vormittag auf der Homepage des Portals web.de, wo oft Karikaturen von Perscheid erschienen waren. Man fragte sich: Kann man das schreiben angesichts dieses tragisch frühen Todes? Ist das nicht respektlos? Am Nachmittag stellte sich heraus: Es war ein alter Text gewesen. Aber er hätte auch gepasst, wenn er nach der Nachricht von Perscheids Tod formuliert worden wäre. Denn Perscheid, geboren 1966 in der deutschen Industriestadt Wesseling, hat als Zeichner stets den Respekt gegenüber den Gemeinheiten und Ungerechtigkeiten des Lebens - und daher auch des Todes - grundsätzlich verweigert. Und in Abgründe geblickt, etliche seiner Bände trugen diese im Titel, z. B. „Eltern am Abgrund“. Ein anderer hieß „Tut mir leid, aber ein winzig kleiner Penis zählt nicht als Behinderung“, die zugehörige Zeichnung zeigt eine Politesse, die das zu einem Mann sagt, der sein Auto auf einem Behindertenparkplatz geparkt hat.
Auf einem anderen Perscheid-Blatt stehen ein dicker Mann und eine glupschäugige Frau vor dem dickbrilligen Karikaturisten, sie sagt: „Zeichnen Sie irgendwas, das Dicke beleidigt!“ Darunter der gleiche Cartoon, nur umgekehrt, mit dicker Frau und glupschäugigem Mann, und eine Zusatztafel: „Warnung: Eine der beiden Zeichnungen ist sexistisch.“ Ja, welche denn? Die heute häufige Kritik an der Cancel Culture, dass sie das Gefühl des Beleidigtseins fördere, übersteigerte Perscheid, indem er zeigte, dass man jeden beleidigen kann, weil jeder schwach ist, bis hin zu Jesus am Kreuz, der bei Perscheid sagt: „Das stand so nicht in meinem Horoskop!“
Über 4300 Zeichnungen schuf Perscheid, auch das „Spectrum“ der „Presse“ hat viele gebracht, zuletzt zu Weihnachten: einen Verkehrsunfall, bei dem ein Weihnachtsmann stirbt. Nun ist der Zeichner Martin Perscheid 55-jährig an Krebs gestorben.