Margot Robbie als Harley Quinn in "The Suicide Squad".
Film.

"The Suicide Squad": Ein dreckiges Dutzend Superhelden

„The Suicide Squad“ ist die Fortsetzung (sprich: Neuauflage) von „Suicide Squad“. Und als Antisuperhelden-Blockbuster mit bösem Witz um einiges interessanter als sein missglückter Vorgänger.

Wo sind all die Kriegsfilme hin? Bis zur Jahrtausendwende war das Genre eine Fixgröße auf der Leinwand, gut für Kassenerfolge und Preisregen – siehe „Saving Private Ryan“. Doch der Krieg zieht im Kino nicht mehr. Ob das an seinem Schwinden aus dem populären Gedächtnis des Westens liegt (in China sind patriotische Schlachtplatten wie „The 800“ der große Renner) oder an der Veränderung seiner politischen und ästhetischen Beschaffenheit (asymmetrische Kriegsführung, Stellvertreterkonflikte, „intelligente“ Hightech-Manöver), sei dahingestellt. Jedenfalls mussten sich Themen und Motive dieser Filmgattung, die vor allem in den USA auch der Verhandlung des nationalen Wertekanons diente, ein neues Zuhause suchen.

Gefunden haben sie es unter anderem beim Superheldenblockbuster. Die Avengers, kräftestrotzendes Übermenschenteam aus dem Hause Marvel, unterstehen einer quasi-militärischen Organisation namens S.H.I.E.L.D., die von einem Wolken-Flugzeugträger aus geführt wird – und sich als (gerechte) Weltpolizei versteht. Ihr Anführer, Captain America, Supersoldat und Weltkriegsveteran, blieb der Nachwelt dank Kälteschlaf erhalten. Er leitet seine Kompanie mit einer Strategie, die auf klaren Hierarchien und geteilten Idealen gründet.

Wenn die Avengers die Armee repräsentieren – zum Teil buchstäblich, wie im vor Air-Force-Huldigung strotzenden Film „Captain Marvel“ – dann steht der „Suicide Squad“ für jene Spezialeinheiten, die klandestine Drecksarbeit erledigen. Wo Marvel-Heroen zum Saubermann-Image tendieren, lassen die Haudegen aus den DC-Comic-Stallungen lieber den Ungustl raushängen.

Zwangssöldner aus dem Hochsicherheitstrakt

Früher hätte man dem neuen „Suicide Squad“-Film einen ulkigen deutschen Verleihtitel verpasst, etwa „Das Himmelfahrtskommando kehrt zurück“. Heute klatscht man ein „The“ vor den Titel und setzt auf Wiedererkennungswert. Wobei sich die Fortsetzung, die eigentlich ein Neustart ist, anfangs einen Witz auf Kosten von David Ayers missglücktem Erstversuch (2016, mit Will Smith) erlaubt. In Form eines D-Day-Verschnitts mit beträchtlichem Kollateralschaden, der die Spreu brutal vom Weizen trennt. Zu Letzterem zählt die sympathische Psychopathin Harley Quinn, fidel verkörpert von Margot Robbie. Ihr wird eine neue Außenseiterbande zur Seite gestellt, allesamt Zwangssöldner aus dem Hochsicherheitstrakt: Eine junge Tierflüsterin (Daniela Melchior), ein tapsiger Haimensch (gesprochen von Sylvester Stallone), ein depressiver Softie, der Killerkügelchen kotzt (David Dastmalchian), der eitle Peacemaker (John Cena als Parodie „klassischer“ Superhelden) und Profikiller Bloodsport (Idris Elba). Ein US-Geheimdienst schickt den Trupp in eine Bananenrepublik, wo er mit Despoten und fiesen Kopfmenschen (Peter Capaldi) ficht.

„The Suicide Squad“ ist das, was man im Branchenjargon „edgy“ (kantig) nennt: Der Tonfall ist gfeanzter, der Humor zynischer, der Soundtrack (Pixies! Decemberists!) exzentrischer, die Gewalt unverblümter, die Abgründe sind tiefer und die moralischen Grauzonen grauer; ein Film, der in einer „lustigen“ Actionszene das Massaker von My Lai anklingen lässt. Regisseur James Gunn kommt aus der Gegenkultur, sorgte bei Marvel mit den „Guardians of the Galaxy“ für Würze. Bei DC kann er mit ähnlichem Konzept in jeder Hinsicht weiter gehen, Grenzen des im Spektakelkino Möglichen ausloten, auch politisch: „The Suicide Squad“ kritisiert beiläufig Imperialismus und hat hinter seiner harten Schale eine linkshumanistische, sogar ökologische Schlagseite: Selig sind hier am Ende die Ratten, denn sie werden das Erdenreich besitzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2021)

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