Ein nobles Geschenk an die Stadt Wien

Jacob Hoefnagel: „Wien 1609. Ansicht aus der Vogelperspektive“, Jacob Hoefnagel: „Wien 1609. Ansicht aus der Vogelperspektive“
Jacob Hoefnagel: „Wien 1609. Ansicht aus der Vogelperspektive“, Jacob Hoefnagel: „Wien 1609. Ansicht aus der Vogelperspektive“Edition Winkler-Hermaden
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Der Kupferstecher Jacob Hoefnagel hielt das Antlitz der Stadt 1609 fest.

Eine der frühesten Abbildungen der mittelalterlichen Stadt Wien ist eine Leihgabe des Hotels Sacher an das Wien-Museum. Erst nach Beendigung der höchst umstrittenen Umbauarbeiten am Karlsplatz wird man den riesigen Kupferstich wieder bewundern können.
Jacob Hoefnagel, flämischer Maler und Kupferstecher, hatte sein Werk 1609 den Ratsherren von Wien vorgelegt und dafür einen silbernen Ehrenbecher voll mit Münzen erhalten. Ein schlechtes Geschäft, denn der Aufwand muss enorm gewesen sein. Drei Jahre dauerte die mühsame Anfertigung der sechs Druckplatten, die für das große Format vonnöten waren: 154 cm x 74 cm.

Dennoch: Hoefnagel hatte auch andere Einnahmensquellen, war er doch Kammermaler des habsburgischen Kaisers Rudolf II. Und ebenfalls 1609 engagierte er sich mit anderen Niederländern in der Prager protestantischen Gemeinde im Vorstand. Rudolfs Nachfolger Matthias II. gab ihm zwar keine Aufträge mehr, aber er bezog bis 1618 seinen Sold in Prag. So hatte er es zu Reichtum gebracht, in zweiter Ehe adelig eingeheiratet, zwei Häuser in bester Lage auf dem Malteser Platz beim Palais Nostitz erworben, als Diplomat allseits geachtet.

Jedoch: Das Leben steckt voll unabsehbarer Volten: Der Protestantismus wurde verboten. Ferdinand II. wollte ihn ausrotten, Hoefnagel wurde 1621 in Abwesenheit zum Tode verurteilt, konnte aber am schwedischen Hof Fuß fassen. Er war gerettet. Und wurde neuerlich produktiv und wohlhabend.

Vogelschau auf die Stadt

Zurück zur Wien-Ansicht, die nun im Reprint vorliegt und in der man sich stundenlang verlieren kann, so detailreich haben wir das mittelalterliche Wien vor uns. Wir befinden uns in der Zeit noch vor dem Dreißigjährigen Krieg. Gotische Sakralbauten dominieren das Stadtbild. Es fehlen die barocken Kirche, es fehlen noch die prächtigen Adelspalais, also der Triumph der habsburgischen Gegenreformation.

Hoefnagel bietet uns eine Vogelschau auf die mauerumgürtete Stadt von der Donauseite her. Ganz vorn steht also der Rothenturm. Der Künstler zeichnet von einem fiktiven Standort jenseits der Donau. Anschaulich schildert er, wohin die Gelder der Staatskasse flossen: In die modernsten Befestigungsanlagen, die die damalige Zeit kannte. Sie wurden nach der überstandenen ersten Türkenbelagerung von 1529 in Angriff genommen. Eine biedere Stadtmauer tat es schon lang nicht mehr, Basteien und Vorwerke samt freiem Schussfeld davor schützten nun die Stadt, deren Ausmaße sich auf die heutige City beschränkten.

Auf der Darstellung orientieren wir uns sehr leicht am Zentrum, dem Stephansdom, der Bau des Nordturms ist bereits eingestellt. Auch an der Hofburg wird emsig gebaut, etwa die heutige Stallburg. Am Hohen Markt steht noch die Schranne, das Haus des städtischen Gerichts, das seine Urteile hier von einer Stiege öffentlich machte. Der Blick schweift hinüber in Richtung Schottentor, wo der damals neue Friedhof angelegt wurde, in der Ferne wird Hernals sichtbar, Kahlenberg und Leopoldsberg verschwimmen im Dunst.

Es ist eine faszinierende Gedankenreise, die hier unternommen werden kann. Der Historiker Karl Fischer vom Wiener Stadt- und Landesarchiv ist uns dabei ein zuverlässiger Führer. Er hat die 16-seitige Begleitbroschüre verfasst.

Buch

Jacob Hoefnagel: „Wien 1609. Ansicht aus der Vogelperspektive“, Edition Winkler-Hermaden, Text: Karl Fischer. 29,90 €

(Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2021)

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