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„Ted Lasso“: Dürfen endlich die Netten siegen?

Eigentlich ist Ted Lasso (Mitte: Jason Sudeikis) ja Collegefootballtrainer. Und plötzlich soll er sich mit englischem Fußball auskennen?
Eigentlich ist Ted Lasso (Mitte: Jason Sudeikis) ja Collegefootballtrainer. Und plötzlich soll er sich mit englischem Fußball auskennen?Apple TV
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„Ted Lasso“ zeigt einen Coach, der die raue Welt des Fußballs mit radikaler Freundlichkeit auf den Kopf stellt. Eben erschien die zweite Staffel auf Apple TV.

Eine Weihnachtsfolge. Die übrigens am 13. August erstmals ausgestrahlt wird. Es klingen die Glöcklein, es leuchten die Mützen der Weihnachtsmänner, und Keeley (Juno Temple) hat einen Mistelzweig aufgehängt und öffnet ihrem Freund im roten Negligé die Türe. Doch, Überraschung! Roy, ehemaliger Fußball-Star, hat seine kleine Nichte im Schlepptau! Die wird Weihnachten bei dem jungen Paar verbringen. Also nix mit dem von langer Hand geplanten Sexy Santa.

In anderen Serien wäre das Stoff für Konflikte. Nein, anders: In anderen Serien würde so eine Szene erst erfunden werden, damit die folgenden Konflikte die Handlung weitertreiben. Das Mädchen könnte verstört sein, weil die Freundin des Onkels halb nackt und in Reizwäsche vor ihm steht. Roy sich darüber empören, dass seine warnende SMS nicht rechtzeitig gelesen wurde. Keeley könnte schmollen, weil ihre Pläne über den Haufen geworfen wurden – und keiner hat sie gefragt! Es könnten Türen knallen. Tränen fließen, der Braten könnte verbrennen. Und je nachdem, ob wir es mit einer Komödie oder einem Melodram zu tun haben, würde sich letztlich alles in Wohlgefallen auflösen – oder auch nicht.

Bei „Ted Lasso“? Nichts dergleichen. Roy gibt seiner Freundin einen Kuss, die zieht ein flauschiges Jackerl übers Negligé und dann klären die drei, was man tun kann: Das Mädchen wird nämlich in der Schule verspottet.

Vielleicht ist die Weigerung, überall Dramen zu sehen, ein Erfolgsrezept dieser Serie, deren erste Staffel in der Pandemie die US-Amerikaner begeistert hat und deren Team sich im September Hoffnung auf 20 Emmys machen kann. Hier wird nicht mit jeder Pistole, die an der Wand hängt, auch geschossen. Hier fehlen auch die sonst oft allzu genüsslich ausgespielten peinlichen Momente. Und der Coach? Versprüht wechselweise breit und verlegen grinsend unbedingte Menschenliebe.

So freundlich wie schon bei „Scrubs“

Ted Lasso heißt er und ist in der ersten Staffel aus den USA nach England geflogen, um einen Fußballklub zu trainieren. Der Clou: Er ist eigentlich College-Football-Coach und wurde nur engagiert, weil die Witwe, die den Klub geerbt hat, ihrem notorisch untreuen Ehemann posthum eins auswischen will: Soll sein Liebstes doch zum Teufel gehen! Soll der Klub in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Doch es kommt ganz anders. Ted Lasso (Jason Sudeikis), hemdsärmelig, munter und ein bisschen tollpatschig, klebt als erste Amtshandlung ein selbst gebasteltes „Believe“-Schild an seine Türe. Das natürlich schief hängt. Was der Marketingchefin auffällt. Woraufhin sie sich gemeinsam daranmachen, es geradezurücken. Klappt zwar nicht, hängt dann noch schiefer als vorher, aber egal. Er hat eine Verbündete gewonnen, und es wird nicht die letzte sein. Am Ende der ersten Staffel ist der AFC Richmond kein rauer Fußballklub mehr, sondern der sprichwörtliche Ponyhof. Sogar die Psychologin, die engagiert wird, um einem traumatisierten Torschützen zu helfen – beim Elfmeterschießen hat er einen gebrechlichen Rüden getroffen, der noch auf dem Rasen das Zeitliche gesegnet hat –, ist verblüfft über den wertschätzenden Umgang. Der natürlich für so manche Pointe gut ist. Die ach so harten Männer ganz weich. Wie sie wichteln! Und Konfetti streuen!

Und wenn es doch einmal Stress gibt? Dann spielt der Coach den Bösewicht, um das Team zusammenzuschweißen. „Hat das jemals geklappt?“, fragt die Psychologin. Darauf hat er keine befriedigende Antwort. Man sieht: Auch ein Menschenfreund kann noch etwas lernen.

Bill Lawrence, der „Ted Lasso“ mit Hauptdarsteller Sudeikis entwickelt hat, hatte immer schon eine Vorliebe für „freundliche“ Serien. Er verhalf „Chaos City“ zum Erfolg und war Showrunner von „Scrubs“, dessen Hauptfigur J. D. ein paar wesentliche Charaktereigenschaften mit Ted Lasso teilt. Der eine flammende Rede für den Kommunismus hält. Für den „RomCommunismus“, genauer gesagt, was bedeutet: Er glaubt daran, dass wie in romantischen Komödien am Ende alles gut wird. Am Ende, so Ted Lasso, werden sie siegen. Und ja, das wünscht man ihnen: dass Nettigkeit siegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2021)

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