Der Bitcoin-Preis hat vor Kurzem die 200-Tage-Linie übersprungen. Das gilt als gutes Zeichen. Einige Optimisten geben schon wieder sechsstellige Kursziele aus.
Als die Kryptobörse Coinbase im April an die Börse ging, war die Bitcoin-Begeisterung auf einem Höhepunkt. Der Preis für eine Einheit der Cyberdevise, der erst im Dezember ein Rekordhoch von 20.000 Dollar erreicht hatte, sprang auf 64.000 Dollar, befeuert von der Bekanntgabe des E-Autoherstellers Tesla, 1,5 Milliarden Dollar in Bitcoin investiert zu haben und Bitcoin auch als Zahlungsmittel akzeptieren zu wollen. Kursziele im sechsstelligen Bereich wurden ausgegeben, etwa von JP Morgan.
Doch dann endete der Bullenmarkt abrupt. Umweltbedenken wegen des hohen Stromverbrauchs machten sich breit, Tesla wollte plötzlich doch keine Bitcoin mehr als Zahlungsmittel akzeptieren und in China verschärfte die Regierung ihre negative Haltung gegenüber Bitcoin-Minern und Banken. Auch andere Länder kündigten schärfere Regulierungen an. Der Kurs rasselte zeitweise unter die 30.000-Dollar-Marke, der Optimismus schwand.
Nun ist er zurück. Ein Bitcoin kostete am Mittwochnachmittag zeitweise wieder 46.000 Dollar. Erst kürzlich hat der Kurs die 200-Tage-Linie überschritten, ein positives charttechnisches Signal.
Mehr Handel auf Coinbase
Coinbase präsentierte Quartalszahlen: Im zweiten Quartal war das Handelsvolumen im Jahresvergleich um 1500 Prozent auf 462 Mrd. Dollar gestiegen. Die Zahl der monatlichen Nutzer stieg um 44 Prozent auf 8,8 Millionen. Coinbase warnte aber: Im dritten Quartal habe sich dieser Trend nicht im gleichen Ausmaß fortgesetzt. Man sei sich aber bewusst, dass man in einem volatilen Geschäft tätig sei.
Denn der Preis von Bitcoin orientiert sich an Angebot und Nachfrage. Das Angebot wird alle paar Jahre künstlich verknappt. Neue Bitcoin entstehen, wenn Hochleistungscomputer Berechnungen anstellen und dabei Transaktionen auf der Bitcoin-Blockchain bestätigen. Dafür erhalten sie Bitcoin als Belohnung. 18,78 Millionen Bitcoin gibt es bereits, mehr als 21 Millionen wird es nicht geben, und das soll auch erst im Jahr 2140 der Fall sein. Bitcoin wurde 2009 als Antwort auf die Finanzkrise ins Leben gerufen, als digitale Währung, die nicht manipuliert oder beliebig vermehrt werden kann.
Es gibt auch keine zentrale Instanz, die das könnte. Bitcoin wird dezentral verwaltet, von Minern in aller Welt. Bitcoin sei eine Graswurzelbewegung und komme von unten, sagt Nikolaus Jilch, Geldexperte bei der Agenda Austria. Bitcoin sei zudem die einzige wirklich dezentrale Kryptowährung. Mit den anderen Projekten wollten oft Programmierer Geld verdienen. Sich auch Altcoins (andere Krypto-Assets) zuzulegen, sorge nur für Scheindiversifikation. Denn sollte Bitcoin scheitern, würden alle anderen Krypto-Assets mit nach unten gerissen, warnt Jilch. Im unübersichtlichen Kryptosektor finde viel Betrug statt. Erst kürzlich haben Hacker bei einem Angriff in den USA Kryptowährungen im Wert von bis zu 600 Millionen Dollar gestohlen, wie das Unternehmen Poly Network mitteilte.
Starke Schwankungen
Viele Anleger kaufen Bitcoin und die anderen Krypto-Assets aber primär, weil sie reich werden wollen. Immerhin kostete ein Bitcoin vor zwölf Jahren erst ein paar Cent. Bitcoin neigt jedoch zu starken Schwankungen. Das wird immer wieder Menschen zum Verhängnis, die ohne Erfahrung Bitcoin kaufen. „Wenn man bei 50.000 Euro kauft, und es geht auf 25.000 Euro runter – das muss man erst einmal aushalten“, sagt Jilch. Bitcoin sei nicht für jeden als Geldanlage geeignet, man brauche eine hohe Risikotoleranz.
Den jüngsten Preisanstieg erklärt er damit, dass sich der Bullenmarkt fortsetze, der im April unterbrochen worden war. Im April war er schon zu weit gelaufen, und als Coinbase an die Börse ging, war alles eingetreten, was die Investoren erhofft hatten. Das sei ein Fall von „buy the rumor, sell the news“ (Kauf bei Gerüchten, verkaufe bei Fakten) gewesen.
Inzwischen halten viele das 100.000-Dollar-Ziel für greifbar. Wenn Bitcoin im selben Ausmaß steige wie die zweitgrößte Kryptowährung Ethereum, erreiche es bald diese Marke, meint Mike McGlone von Bloomberg Intelligence. Bloomberg zitiert auch Tom Lee von Fundstrat Global Advisors, der angesichts des Überschreitens der 200-Tage-Linie erwartet, dass Bitcoin zum Jahresende die 100.000-Dollar-Marke erreicht.