"Pop-up Housing"

Die kleinsten Lücken für Wohnraum nützen

In der Seestadt Aspern haben sich Pop-up-Studentenheime gut bewährt.
In der Seestadt Aspern haben sich Pop-up-Studentenheime gut bewährt.
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Experimentierraum Stadt: Ein interdisziplinäres Forschungsteam zeigt für Wien, wie Baulücken und andere bisher ungenutzte Flecken für temporäre Wohnungen gestaltet werden können. Das „Pop-up Housing“ spart Ressourcen und soll sozial verträglich sein.

„Für eine große Flutkatastrophe könnte das Modell ,Life on Track(s) – Tinytainer‘ zum Einsatz kommen“, sagt Gloria Rose, Mitarbeiterin am Forschungsprojekt „Pop-up Housing“. Die Forscher empfehlen sechs theoretische Modelle für Wohneinheiten aus unterschiedlichen Materialien, die bei Bedarf schnell aufgestellt werden können, sei es für Flüchtlinge oder für Studierende. Die Praxistauglichkeit muss jedoch erst erprobt werden.

Wenn Muren Häuser oder gar ganze Ortsteile wegreißen, könnten die Wohneinheiten des Modells „Life on Track(s)“ kurzfristig etwa 40 Personen beherbergen. Es handelt sich um umgestaltete Frachtcontainer, die auf Schienen schnell zum Einsatzort gefahren werden können. Es gibt einen Außenbereich, Gemeinschaftszonen, Strom, Wasser und Heizung.

Voraussetzung seien eine lärmarme Umgebung und Zugang zu Infrastruktureinrichtungen, so Rose. Am Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA) der ÖAW werden die entwickelten temporären Wohnmodelle als lokale Experimentierräume ausgelegt, wo bei der Umsetzung neue technische und soziale Konzepte angewendet und bewertet werden können.

Neben der Akademie der Wissenschaften sind Forscher der Universität für Bodenkultur und der Alchemia-Nova GmbH führend am Projekt beteiligt, das der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds finanziert hat.

Sechs theoretische Modelle

„Die Wohnformen müssen Nachhaltigkeit ermöglichen, ressourcenschonend und abfallarm, wasser- und energiesparend in zwischenzeitlich ungenutzte städtische Räume integriert werden können“, erklärt Marion Huber-Humer, Projektkoordinatorin und Leiterin des Instituts für Abfallwirtschaft der Boku Wien.

Aus einer umfangreichen Literaturrecherche entstand ein Datenpool mit 110 Beispielen. Ein auf einem Geo-Informationssystem basierendes Instrument soll geeignete Flächen lokalisieren. Wichtig sind die Wiederverwendbarkeit und Dauerhaftigkeit des Materials, Möglichkeiten des zerstörungsfreien Rückbauens und die Wohnqualität. „Pop-up-Wohneinheiten sollen keine Alternative zum permanenten Wohnungsbau sein, aber sie sollen helfen, den ungenutzten Raum in der Stadt wie z. B. temporäre Baulücken oder Immobilienleerstand möglichst hochwertig zu nutzen“, macht Huber-Humer deutlich.

Im Modell „Life Sharing to go“ dominiert die Idee des Zusammenlebens innerhalb einer alten Fabrikhalle, die sowohl Privatunterkünfte als auch Gemeinschaftsflächen für ca. 80 Personen bietet. Dort sollen durch eine Gemeinschaftsküche oder ein Storage-Angebot Kontakte zu Nachbarn geknüpft werden. „Es werden Ressourcen zur Verfügung gestellt, die die Bewohner selbst gestalten können“, sagt Rose. „Nicht nur die Unterkunft, sondern auch der Erwerb von Fähigkeiten und die Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt spielen eine Rolle.“

Dem Modell „Beat the Heat“ liegt die Vorstellung zugrunde, die Zahl der Hitzetoten in heißen Sommern zu verringern. Vorübergehend sollen Menschen in natürlich gekühlte Räume ziehen. In Wien könnten beispielsweise gut durchlüftete Freiräume entlang von Windschneisen in Betracht gezogen werden.

Das Szenario „Donautonom“ nutzt Wasserflächen als Standort. Aus Frachtcontainern mit autonomer Energie- und Brauchwasserversorgung werden zeitweilige Behausungen. Die Modelle „Faltpack“, das leer stehende Erdgeschoßflächen mit flexiblen Holz-Modulen nutzt, und „Gap Module“ setzen auf vorhandene Leerstände und brachliegende Grundstücke. Letzteres geht von unterschiedlichen Nutzergruppen aus, die unbebaute Grundstücke mit wiederverwendbaren Modulen bis zu zwei Jahre lang bewohnen.

„Wenn temporäres Wohnen organisatorisch und rechtlich besser verankert wäre, könnten brachliegende Grundstücke bis zum Baubeginn eines permanenten Gebäudes einfacher genutzt werden“, erklärt Huber-Humer. Dies wurde beispielsweise bei Studentenheimen, sogenannten Pop-up Dorms, in der Seestadt Aspern erprobt. „Durch Modulbauweise ist rasches und zerstörungsfreies Errichten, Abbauen und Umsiedeln möglich, dennoch fürchten viele Städte, dass aus dem Temporären etwas Dauerhaftes wird. Diese Angst scheint derzeit eine der größten Barrieren für flexible Nutzungen zu sein“, erklärt Huber-Humer.

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