Untersuchungsausschuss

„Ja, die Regierung war käuflich“

SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer mit schweren Vorwürfen gegen Türkis-Blau.
SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer mit schweren Vorwürfen gegen Türkis-Blau. imago images/SEPA.Media
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Die SPÖ fährt in ihrem Schlussbericht schwere Geschütze gegen Türkis-Blau auf. Für die ÖVP ist im U-Ausschuss „außer Spesen nichts gewesen“.

Wien. 13 Monate Dauer, 120 Befragungen, 500 Stunden Sitzungsdauer, 7000 Seiten Protokoll, 2,7 Millionen Aktenseiten als Grundlage: Die Zahlen zum Ibiza-Untersuchungsausschuss lesen sich imposant. Geht es um die Ergebnisse, divergieren die Ansichten naturgemäß – je nach Standpunkt des Betrachters. Nach dem Verfahrensrichter und der FPÖ haben nun auch SPÖ und ÖVP ihre Abschlussberichte vorgelegt. Und gerade die beiden Parteien kommen zu diametral entgegengesetzten Schlussfolgerungen.

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer sieht die zentrale Frage nach einer möglichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung eindeutig beantwortet: „Ja, die Bundesregierung war käuflich, ja, die Politik war käuflich“, so seine Conclusio. Sei der Fokus nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos am Anfang noch auf den Freiheitlichen gelegen, habe sich durch die Aktenlieferungen ein vollkommen anderes Bild ergeben.

Die Akten hätten gezeigt, dass es anfänglich keine wahrnehmbare Kommunikation der FPÖ mit dem Glücksspielkonzern Novomatic gegeben habe. Gänzlich anders stellte sich die Lage laut Krainer bei der ÖVP dar: Wesentliche Vertreter wie der damalige Kanzleramtsminister, Gernot Blümel, oder der Kabinettschef im Finanzministerium und spätere Öbag-Chef, Thomas Schmid, standen „mit der Novomatic auf Du und Du“. So sei dann auch hinter dem Rücken der FPÖ eine Glücksspielnovelle vorbereitet worden, die sich wie eine Wunschliste der Novomatic gelesen habe. Und die FPÖ? Die hatte sich ja in ihrem eigenen Bericht entlastet gesehen, was Krainer anders sieht: Sie habe sehr wohl an „komischen Deals“ gearbeitet, der Rücktritt von Heinz-Christian Strache sei durchaus gerechtfertigt gewesen.

Im Zentrum der Untersuchungen sei aber das „System Kurz“ gestanden, das sich unter anderem durch Kontrolle, Macht und Machtmissbrauch, Abgehobenheit und vermeintliche Unantastbarkeit charakterisieren lasse, so Krainer. Wesentlich in diesem System sei die Kontrolle der Ministerien durch Kabinette und Generalsekretäre, die gegenüber Kurz loyal sind. Die Generalsekretäre seien die eigentlichen Minister, die Minister selbst nur Sprecher des Ministeriums nach außen. Maßgeblich am System Kurz sei auch das Spendenlukrieren im „amerikanischen Stil“. Spender hätten nicht nur Aufsichtsratsposten bekommen, auch bei Gesetzesbeschlüssen sei auf deren Interessen nicht vergessen worden. Und schließlich bestehe das „System Kurz“ in einer Unterwanderung der Institutionen, es werde ein „Staat im Staat“ geschaffen.

„Persönliche Profilierungsneurosen“

Logischerweise ganz anders sehen die Schlussfolgerungen der ÖVP aus: „Außer Spesen nichts gewesen“, resümierte Fraktionschef Andreas Hanger am Freitag die Ergebnisse des U-Ausschusses. Dieser habe außer Unterstellungen, falschen Vorwürfen und Skandalisierungen gegenüber ÖVP-Regierungsmitgliedern nichts gebracht. Kritik übte er vor allem an Krainer und Neos-Abgeordneter Stephanie Krisper. Diese hätten den U-Ausschuss für das Ausleben ihrer „persönlichen Profilierungsneurosen“ missbraucht.

So habe es wochenlange Skandalisierungen gegen Nationalratspräsident und Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) gegeben. Tatsächlich seien aber mittlerweile alle Strafanzeigen eingestellt worden. Krainer und Krisper müssten sich eigentlich entschuldigen, findet Hanger.
Tiefpunkt des Ausschusses sei der Rücktritt von Verfahrensrichterin Ilse Huber gewesen, ausgelöst durch den „Oasch“-Sager Krispers (der sich aber laut Tonbandprotokoll nicht dezidiert gegen Huber richtete).

Lehren aus dem U–Ausschuss

Welche Lehren sollten aus dem Untersuchungsausschuss gezogen werden? Für Krainer ist es zum Beispiel die Abschaffung der Generalsekretäre in den Ministerien, denn diese seien der demokratischen Kontrolle entzogen. Weiters solle im Sinne der Transparenz das Amtsgeheimnis tatsächlich abgeschafft werden und ein Kontaktregister eingeführt werden, aus dem hervorgeht, mit wem die Regierungsmitglieder Kontakt haben. Und schließlich wünscht sich der SPÖ-Mandatar eine Novelle des Archivgesetzes, denn dieses stammt noch aus der analogen Zeit und berücksichtigt nicht neue Formen digitaler Kommunikation.

Hanger wünscht sich eine Reform der Untersuchungsausschüsse: Das Untersuchungsthema solle klarer definiert sein und für die Aktenlieferungen solle es ein klareres Prozedere geben. So müsse die „abstrakte Relevanz“ von Unterlagen definiert werden, damit nicht riesige Mengen an Chatprotokollen im Zweifel vorgelegt werden müssen. Ausnahmsweise einig sind sich Hanger und Krainer in der Frage, ob künftig Liveübertragungen der Befragungen möglich sein sollen. Beide sprechen sich dafür aus, dass es diese geben soll – allerdings nur bei prominenten Auskunftspersonen.

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