Afghanistan

Warum die Taliban so schwer zu stoppen sind

Einmarsch der Taliban. In der afghanischen Großstadt Kandahar im Süden des Landes wehen jetzt die weißen Flaggen der Extremisten.
Einmarsch der Taliban. In der afghanischen Großstadt Kandahar im Süden des Landes wehen jetzt die weißen Flaggen der Extremisten. APA/AFP/-
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Die Extremisten bereiteten ihre Großoffensive gut vor – mit monatelanger Wühlarbeit in vielen Dörfern.

Wien/Kabul. „Löwe von Herat“ nennen die Afghanen den weißbärtigen Warlord, der auf ein langes Leben als Feldkommandant zurückblickt. In den 1980er-Jahren kämpfte Mohammad Ismail Khan gegen die sowjetischen Besatzer, später an der Seite der USA gegen die Taliban. Zuletzt rief er die Menschen von Herat dazu auf, sich den Taliban erneut entgegenzustellen. Jetzt soll er den Extremisten in die Hände gefallen sein – so wie seine Stadt Herat im Westen des Landes.

In ganz Afghanistan bietet sich derzeit dasselbe Bild: Kandahar, Pul-i-Alam vor den Toren Kabuls – eine Stadt nach der anderen wird handstreichartig von den Taliban eingenommen. Der Widerstand der afghanischen Armee bricht rasch zusammen. Afghanische Spezialeinheiten versuchen zwar, wichtige Regierungsgebäude zurückzugewinnen, stehen aber auf verlorenem Posten.

1. Warum rücken die Kämpfer der Taliban so rasch vor?

Afghanistans Armee kollabiert viel rascher, als sich das die US-Strategen in ihren schlimmsten Träumen ausgemalt haben. Sie ist geschwächt durch Korruption und Missmanagement. Zwar haben die USA die Arsenale der afghanischen Streitkräfte prall gefüllt. Doch die afghanischen Soldaten an der Front klagen über Mangel an Nachschub und Munition und sind angesichts des Versagens ihrer Führung demoralisiert.

Die Taliban haben ihre Großoffensive hingegen gut vorbereitet. Beobachter gehen mittlerweile davon aus, dass die Extremisten bereits seit sehr vielen Monaten auf den Tag X hingearbeitet haben, an dem die internationalen Soldaten Afghanistan verlassen. In vielen Gegenden des Landes waren schon vor der jüngsten Offensive nur mehr die größeren Städte unter der Kontrolle regierungstreuer Kräfte. Das Umland gehörte bereits meist den Taliban.

In manchen Dörfern patrouillierte am Tag zwar noch die afghanische Armee. In der Nacht übernahmen dann aber die Taliban das Kommando. Ihre Kämpfer errichteten Kontrollposten und zitierten die Dorfchefs zu Unterredungen. Viele lokale Machthaber und ihre Gemeinschaften waren schon bisher nicht gut auf die Regierung in Kabul zu sprechen. Ihr werden Vetternwirtschaft und Korruption vorgeworfen. Regierungstreue Milizen gingen auch immer wieder brutal gegen Zivilisten vor. Den Taliban ist es offenbar in vielen Fällen gelungen, lokale Fürsten – mit Druck und Versprechen – zumindest zum Stillhalten zu bewegen.

Einige Städte mussten die Taliban zuletzt gar nicht völlig erobern. Sie wurden ihnen nach kurzen, harten Gefechten um die Regierungsgebäude einfach überlassen. Zugleich ließen die Taliban die afghanischen Soldaten unbehelligt abziehen.

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