Dialog

Schallenberg und Nehammer planen Afghanistan-Konferenz

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP): "Hilfe vor Ort kann nur im Gleichklang mit den Partnern vor Ort funktionieren."
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP): "Hilfe vor Ort kann nur im Gleichklang mit den Partnern vor Ort funktionieren."APA/BMEIA/MICHAEL GRUBER
  • Drucken

Die Konferenz mit zentralasiatischen Nachbarländern des Krisenstaates und EU-Staaten ist für Ende August oder Anfang September in virtueller Form geplant. Der Innenminister hält fest: „Wir müssen so lange abschieben, bis es geht“.

Außenminister Alexander Schallenberg und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) planen eine Afghanistan-Konferenz mit den zentralasiatischen Nachbarländern des Krisenlandes und einigen EU-Ländern, um möglichst zielsicher Hilfe vor Ort bieten zu können. Die Konferenz ist für Ende August oder Anfang September in virtueller Form geplant, wie eine Sprecherin Schallenbergs mitteilte. Auf welcher Ebene die Länder vertreten sein werden, sei "noch in Ausarbeitung", hieß es.

Aus dem Innenministerium hieß es, Ziel der Konferenz sei, die Region zu stärken bzw. die unmittelbaren Nachbarstaaten Afghanistans. Darauf habe auch der gemeinsame Brief Österreichs mit Deutschland, Dänemark, Niederlande, Belgien und Griechenland abgezielt - "nicht nur auf Abschiebungen". Die sechs EU-Länder hatten vor rund einer Woche in einem Brief an die EU-Kommission zu einer Fortsetzung der Abschiebungen nach Afghanistan gedrängt, um in erster Linie straffällig gewordene Afghanen aus der EU zu bringen. Deutschland, Dänemark und die Niederlande haben die Abschiebungen mittlerweile wegen der Lage in Afghanistan offiziell ausgesetzt. Die Länder seien auch Partner für die geplante Konferenz.

"Hilfe vor Ort kann nur im Gleichklang mit den Partnern vor Ort funktionieren," erklärte Schallenberg in einer Stellungnahme. "Konflikt und Instabilität in der Region wird früher oder später auch auf Europa und somit auf Österreich überschwappen." Nehammer ergänzte: Um die illegale Migration in Richtung Europa - und somit auch nach Österreich - einzudämmen, brauche es einen "ganzheitlichen Ansatz". Das vordringliche Ziel müsse es daher sein, die Nachbarstaaten Afghanistans bei der Bewältigung dieser "schwierigen Aufgaben" zu unterstützen. Es gelte, diesen Staaten zu helfen und gemeinsam mit ihnen zu verhindern, dass Schlepper Profit aus dem Leid der Menschen schlagen. "Solidarität heißt für uns, jenen Menschen zu helfen, die Schutz brauchen - aber auch konsequent gegen jene vorzugehen, die diese Hilfe missbrauchen."

FPÖ: „Nehammer wirft eine Blendgranate nach der anderen"

Kritik an der Initiative kam am Sonntag von der FPÖ, die dem Innenminister vorwarf, die Österreicher "für dumm zu verkaufen - und das in Permanenz". Nehammer werfe "nur eine Blendgranate nach der anderen", kritisierten FPÖ-Chef Herbert Kickl und FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung. Was erstes brauche, sei "ein Asylstopp in Österreich und ein echter Grenzschutz. Das kann man schnell umsetzen. Dafür braucht es keine internationale Konferenz, sondern nur einen Innenminister, für den die Österreicher an erster Stelle stehen und der sich auch gegenüber der EU etwas traut", so die FPÖ.

Die Neos forderten den Außenminister dagegen auf, "eine rasche, entschlossene Antwort auf EU-Ebene nicht zu behindern". Angesichts des Vormarsches der Taliban müssen "Europa "endlich mit einer Stimme sprechen", so NEOS-Sprecher für Äußeres Helmut Brandstätter, der eine Einberufung des Außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats mit der afghanischen Botschafterin und NGOs, die vor Ort sind, forderte.

Wenig überraschend positiv reagierte die ÖVP auf die angekündigte Initiative. "Es ist wichtig, dass wir gerade in dieser Phase uns dafür einsetzen, um die Maßnahmen vor Ort zu intensivieren, denn es muss alles unternommen werden, um Szenen wie wir sie 2015 erleben mussten, zu verhindern", erklärte der ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer in einer Aussendung. Flüchtlingen müsse die Möglichkeit gegeben werden, ins nächste sichere Land zu kommen und dort die notwendige Versorgung sowie Unterbringung zu erhalten.

Nehammer hält an Nein zu Abschiebestopp fest

Nehammer hatte zuvor einmal mehr seine strikte Haltung, was sein Nein zu einem generellen Abschiebestopp nach Afghanistan betrifft, untermauert. Gegenüber der "Kleinen Zeitung" (Sonntagausgabe) verwies er auf die am Vortag angekündigten Bemühungen um einen weiteren Abschiebeflug nach Afghanistan. "Wir müssen so lange abschieben, wie es geht", sagte der Minister ungeachtet der Tatsache, dass seit Mitte Juni keine derartigen Flüge mehr durchgeführt werden konnten. "Wir arbeiten an einem Flug - in Kooperation mit Afghanistan. Wenn ein solcher möglich wird, dann werden wir das auch tun. Und wenn das nicht gelingen sollte, müssen wir über Alternativen nachdenken."

Nach UNO-Angaben sind seit Mai 250.000 Afghanen auf der Flucht, seit Anfang des Jahres damit 400.000. Intern Vertriebene sind in großer Zahl nach Kabul gereist und campieren dort etwa in Parks und auf öffentlichen Plätzen. Die militant-islamistischen Taliban setzen unterdessen ihren Eroberungszug fort und stehen schon wenige Kilometer vor den Toren Kabuls. Der deutsche Staatssekretär Niels Annen forderte unlängst, dass Europa dabei helfen müsse, "die fliehenden Menschen vor Ort in der Region, etwa in Tadschikistan, Iran oder Pakistan, aber auch in Afghanistan selbst zu versorgen. Dafür muss schnell Geld bereitstehen."

Auch die Migrationsexpertin Judith Kohlenberger meinte, jetzt wäre ein guter Moment, "sich auf die unausweichliche Fluchtbewegung aus dem Kriegsland Afghanistan vorzubereiten". Wie sie am Samstag auf Twitter schrieb: "Koordinativ, auf regionaler und lokaler Ebene, durch Unterstützung der Grenzgemeinden, durch Schaffung von Schnittstellen, Optimierung des Unterbringungsgesetzes."

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im ORF-"Sommergespräch"
Afghanistan-Krise

"Aus 2015 nichts gelernt": ÖVP erteilt Rendi-Wagner Absage

Die SPÖ-Chefin hatte sich für die Rettung besonders gefährdeter Menschen aus Afghanistan ausgesprochen. Richterinnen, Frauenrechtlerinnen und Journalistinnen zum Beispiel, deren Einsatz für die westlichen Werte riskant sein könnte.
Ziel sei, so der Außenminister, jeden Österreicher und jeden, der einen Aufenthaltstitel für Österreich habe, so bald wie möglich aus dem Land herauszuholen.
Afghanistan-Krise

"Helfen vor Ort": Schallenberg bekräftigt Nein zu Aufnahme von Afghanen

Die jüngste Kritik grüner Spitzenvertreter, die den Kurs der ÖVP zuletzt etwa als „Schande" bezeichnet hatten, weist der Außenminister zurück. Er störe sich an der „abwertenden Tonalität“ in der Diskussion.
Vizekanzler Werner Kogler und Landerat Johannes Rauch (beide Grüne) im Zug zwischen Dornbirn und Bludenz, aufgenommen 2019.
Afghanistan

"Schadet Ansehen": Kogler vermisst Menschlichkeit bei ÖVP

Der Vizekanzler meldet sich in der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan zu Wort. Er will nicht "über rechtlich Unmögliches“ diskutieren. Der ÖVP-Klubchef weist Kritik an der türkisen Haltung zurück.
Vorarlbegs Grünen-Landesrat Johannes Rauch findet deutliche Worte.
Kritik

Grüner Landesrat: Afghanistankurs der ÖVP "eine Schande"

Die europäischen Staaten sollten sich gemeinsam daran machen, gefährdete Gruppen „aktiv aus Afghanistan herauszuholen", sagt Johannes Rauch und stellt sich damit gegen den Koalitionspartner.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Eröffnung des Europäischen Forum Alpbach
Forum Alpbach

Van der Bellen ruft zur Aufnahme von Afghanen auf

Die EU sei verpflichtet, jenen Schutz zu bieten, die ihr Land verlassen müssen, sagt der Bundespräsident. An der Spitze sollten Frauen und Mädchen stehen, die "unsere Freunde sind".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.