Salzburger Festspiele

Die edlen Wilden kämpfen für Rameau!

Teodor Currentzis
Teodor CurrentzisClemens Fabry
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Teodor Currentzis wiederholte mit „Music Aeterna“ sein mitreißend-unterhaltsames Rameau-Programm mit Gustostückerln aus dessen Opern und Instrumentalwerken.

Das bohrt sich in den Gehörgang, dieses beinah manisch wiederholte Motiv im Contredanse en Rondeau aus Jean-Philippe Rameaus „Les Boréades“. Und was machen Teodor Currentzis und sein „Music Aeterna“-Orchester damit? Sie wiederholen am Ende der Nummer diese Anfangstakte in Endlosschleife – und strömen damit als Schlusspunkt des ersten Teils aus der Felsenreitschule hinaus in den Karl-Böhm-Saal.

Beginn in völliger Dunkelheit

Dem zwischendurch mehrmals jubelnden, dann wieder beeindruckt schweigenden Publikum muss freilich schon seit dem Beginn in Dunkelheit klar gewesen sein, dass dieser Abend dem Theater verpflichtet sein und sich nicht mit herkömmlichem Konzertgebaren zufriedengeben würde.

Und die Wiederkehr nach der Pause? Abwechslung und Überraschung sind die Leitgedanken, also kommt, freilich wieder in völliger Finsternis, eine schnarrende Drehleier auf die Bühne und ruft die Musiker damit neu auf den Plan. Die Bordunquinte kann nahtlos übergehen in die Musette en Rondeau aus „Les Fetes d'Hébé“. Und das alles taugt prächtig als Speck, mit dem man Mäuse für Rameau fängt.

Dirigent schnallt sich die Trommel um

Über Teodor Currentzis ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von allen. Dazu muss aber fairerweise auch die Feststellung gehören, dass sein Rameau-Programm zum Besten gehört, was von ihm und seinen „Music Aeterna“-Leuten zu erleben ist: 2014 ist es auf CD erschienen, 2016 hat er damit etwa im Wiener Konzerthaus Begeisterung geerntet – auch durch Inszenierungselemente wie Lichtregie, ungewöhnliche Auf- und Abtritte sowie einen Dirigenten, der sich für die letzte Zugabe auch die große Trommel umschnallt.

Da strömte nun als Überraschung noch sein Chor mit Solisten herein, und zusammen räumten sie mit „Forêts paisibles“ aus „Les Indes Galantes“ ab, mit jener Nummer also, die etwa sonst ein Grigory Sokolov zum pianistischen Spitzentanz macht. „Les Sauvages“ heißt sie in den Pièces de clavencin, so wie der ganze vierte Akt der Oper.

Und als edle Wilde der Musik lassen sich Currentzis und die Seinen gern feiern: für die entfesselten Elemente in verschiedenen Sturmmusiken, wo ihre Bassläufe wieder knattern, für aufgeregt gackerndes Federvieh, für die kräftigen Fußstampfer in den Ballettmusiken. Sie unterhält auf allen Ebenen, diese bunte Folge von mehrheitlich Instrumentalstücken und ein paar Arien, teils aus kammermusikalischen Sammlungen, teils aus Rameaus großen Bühnenwerken. Am stärksten aber bleibt, wie schon seinerzeit, die Verinnerlichung im Gedächtnis, die aus dem „Entrée de Polymnie“ spricht: zart, schlicht und groß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2021)

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