Sommer-Serie

Was wurde aus Eva Glawischnig?

Gasthauskind. Jusstudentin. Spitzenpolitikerin. Novomatic-Managerin. Und jetzt?
Gasthauskind. Jusstudentin. Spitzenpolitikerin. Novomatic-Managerin. Und jetzt? (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sie sieht ihre Aufgabe dort, wo es schwierig ist, wo wirklich was zu tun ist, erklärt die ehemalige Grünen-Chefin im Gespräch mit der "Presse". Wo ist das heute?

2018 hat Eva Glawischnig - zumindest auf dem Spielfeld der Öffentlichkeit - die Spielfigur gewechselt. Dass Politiker in die Privatwirtschaft wechseln, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Unbegreiflich war damals für viele Beobachter aber, wie eine (ehemalige) Grüne zum Glücksspielkonzern Novomatic wechseln konnte. Und passt für sie nach wie vor nicht zusammen. "Das muss auch niemand begreifen", betont Glawischnig heute, "das war eine höchstpersönliche Entscheidung. Man kann mich nur verstehen, wenn man meine Lebenserfahrungen gemacht hat. Ich muss das auch nicht immer wieder erklären."

Und tut es dann zum Teil dennoch: "Nach 17 Jahren in der Politik geht keiner ohne Kränkung und Blessuren und Wunden hinaus." Eva Glawischnig vertrat die Grünen ab 1999 im Nationalrat, war von 2008 bis 2017 deren Bundessprecherin und Klubobfrau, davor war sie zwei Jahre Dritte Nationalratspräsidentin. Am 18. Mai 2017 gab sie ihren Rücktritt aus der Spitzenpolitik bekannt. Kritik aus den eigenen Reihen, die sie während ihrer Zeit am Politparkett zu spüren bekam, bezeichnet sie als "anstrengend". Bekannt ist das schwierige Verhältnis zum ehemaligen Parteikollegen Peter Pilz, in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde ein Streit mit den Jungen Grünen. Auch war es die ständige Erreichbarkeit - "24 Stunden, 7 Tage die Woche" -, die "natürlich auch ihren Preis hatte". Die ihr die Zeit mit den Kindern und Lebensqualität genommen und schließlich zu gesundheitlichen Problemen geführt hat. Ein allergischer Schock habe ihr Grenzen aufgezeigt, erklärt Glawischnig im Rückblick: "Es war das einzige Mal, dass ich das in diesem Ausmaß hatte, das hat mir natürlich auch zu denken gegeben."

Im Jahr 2018 gab Glawischnig bekannt, zum Glücksspielkonzern Novomatic zu wechseln. Und sorgte damit für Empörung.
Im Jahr 2018 gab Glawischnig bekannt, zum Glücksspielkonzern Novomatic zu wechseln. Und sorgte damit für Empörung. (c) APA/HERBERT-PFARRHOFER (HERBERT-PFARRHOFER)

Außerdem hätten sie die "ganz Großen" immer gereizt, "die Tanker". "Aber jemand wie Greenpeace braucht mich nicht. Sondern ich habe meine Aufgabe immer dort gesehen, wo es auch schwierig ist, wo es auch wirklich was zu tun gibt." Bei Novomatic hat sie die Stabstelle Corporate Responsibility and Sustainability (Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit) geleitet. Und nach eigenen Angaben interessante Menschen kennengelernt, viel gelernt und wertvolle Erfahrungen gesammelt. "Gewisse Dinge sind vielleicht gesellschaftlich nicht so erwünscht wie andere. Aber wir wollen ja in keiner Verbotsgesellschaft leben", so Glawischnig. Darum sei etwas zu regulieren, auf eine bestimmte Weise zu regulieren, "enorm wichtig".  Im Moment berge das größte Suchtpotenzial "dieses kleine Ding in unserer Hand", das sich Mobiltelefon nennt, führt sie weiter aus. Wie kann man hier Jugendschutz betreiben? Wie wirkt sich die Handynutzung auf uns aus? Was ist gesund, was nicht mehr? Wie kann man Menschen wieder zurückführen, wenn sie einmal abgedriftet sind? "Ich kann mir vorstellen, dass das nicht jeder nachvollziehen kann, dass man das spannend findet. Ich habe es spannend gefunden, mich mit Fragen wie diesen zu beschäftigen", so Glawischnig. "Und herausfordernd. Und auch extrem nahe am Puls der Zeit."

Glawischnig mit Flora Petrik, zu diesem Zeitpunkt Chefin der Jungen Grünen. Nach Konflikten hat sich die Bundespartei im März 23017 von der Jugendorganisation getrennt.
Glawischnig mit Flora Petrik, zu diesem Zeitpunkt Chefin der Jungen Grünen. Nach Konflikten hat sich die Bundespartei im März 23017 von der Jugendorganisation getrennt.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

Als Nachhaltigkeitsberaterin ausgerückt

Unternehmen, die sie in ihrer Zeit als (Oppositions-)Politikerin  kritisiert habe, werde man ohnehin einige finden, meint Glawischnig. Vielleicht stecken sie unter jenen, die sie in Zukunft beraten wird. Denn die gebürtige Kärntnerin hat in diesem Jahr Novomatic den Rücken gekehrt, ein Gewerbe für Unternehmensberatung angemeldet und sich als Nachhaltigkeitsberaterin selbstständig gemacht. Derzeit stellt sie ihr Portfolio zusammen, ist in einem Unternehmensgründungsprogramm, führt erste Gespräche. "Ja, es läuft alles nach Plan" - wenn auch die Bildungskarenz coronabedingt zum Großteil im virtuellen Raum stattfand.

Es gebe im Bereich des Unternehmensconsulting nicht nur "viel Innovation und Spannendes zu tun", sondern auch schon sehr viele, die gute Arbeit leisten, nennt Glawischnig ihre Vorgängerin und langjährige Umweltsprecherin der Grünen, Monika Langthaler, beim Namen. "Da ist schon einiges am Weg, das ist keine neue Geschichte, die ich da mache. Ich bin in aller Bescheidenheit eine Neustarterin." Aber nachdem sie "ein bisschen gelernt" habe, wie größere Unternehmen ticken, wie herausfordernd es sein könne, einen "solchen Prozess" aufzusetzen - sprich, die Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaneutralität bewegen zu wollen - ginge diese Tätigkeit über das Inhaltliche hinaus: "Es ist Chance Management, wenn man so will", so Glawischnig. Und weiter: "Ich wollte halt zurück zu meinen Wurzeln, zu den Dingen, aus denen heraus ich tätig sein möchte, weil ich sie für sinnvoll erachte".

"Nach 17 Jahren in der Politik geht keiner ohne Kränkung und Blessuren und Wunden hinaus": Im Hintergrund der ehemalige SPÖ-Kanzler Werner Faymann.
"Nach 17 Jahren in der Politik geht keiner ohne Kränkung und Blessuren und Wunden hinaus": Im Hintergrund der ehemalige SPÖ-Kanzler Werner Faymann.(c) imago stock&people (imago stock&people)

Sinnvoll erachtet sie auch ihr persönliches Coachingprogramm, das sie speziell an Frauen richten wird, ein „Female Leadership"-Programm: "Ich möchte weitergeben, was Frauen für einen erfolgreichen Karrieregang benötigen, egal auf welcher Stufe sie stehen und wie alt sie sind. In all diesen Zwickmühlen, in denen Frauen nach wie vor in ihrem Beruf stecken. Den Blick auf gewisse Dinge lenken, die man leicht übersieht." Etwa: Mit Konflikten umgehen. Klar kommunizieren. Stress bewältigen. Pausen machen. "Die unterschätzt man leicht", spricht die Ex-Grünen-Chefin aus Erfahrung. Sie selbst habe, "die klassische Bildungskarriere eines Gasthauskindes" gemacht, ist an die Uni gegangen, hat das Doktorat gemacht, ist erfolgreich geworden. "In meinem Kopf war schon immer dieser Gedanke", räumt sie ein", etwas schaffen zu wollen, etwas leisten zu wollen". Sie musste erst lernen, rechtzeitig zu erkennen, dass auch die menschlichen Ressourcen nicht unendlich sind.

Neue geistige Herausforderungen

"Natürlich ist es etwas ganz anderes, wenn man selbstbestimmt arbeitet, sich selbst Projekte überlegen kann, auch einmal Zeit zum Lesen hat, inspiriert wird, sich mit anderen über Bücher austauschen und sich Vorträge empfehlen kann. Dieses kreative Leben gibt einem dann auch wieder Kraft und Gesundheit", sagt Glawischnig heute. "In der Politik ist man halt oft in so einer Mühle", in einem Hamsterrad. Kreativität und Inspiration sind wichtig, um gesund zu bleiben."

Ob sie nun mehr gestalten kann als früher? Dies könne man nicht beantworten. In einer Partei zu arbeiten und stark in der Öffentlichkeit zu stehen sei nicht vergleichbar mit der Tätigkeit in einem Beratungsunternehmen, wo viel auf Zweiergesprächen basiere, auf Vertrauen und Diskretion. "Das sind zwei ganz unterschiedliche Lebensphasen für mich".

Bundespräsidentenwahl 2016: Von Alexander Van der Bellen habe sie gelernt, Dinge kritisch, aber unvoreingenommen zu hinterfragen.
Bundespräsidentenwahl 2016: Von Alexander Van der Bellen habe sie gelernt, Dinge kritisch, aber unvoreingenommen zu hinterfragen.(c) APA/EXPA/MICHAEL GRUBER (EXPA/MICHAEL GRUBER)

Was ihr in ihrer heutigen guttut? Während der Pandemie hat sie begonnen, ihren eigenen Garten zu bewirtschaften, pflückt ihr Gemüse direkt vor der Haustüre. Und konnte Zeit mit ihren Kindern nachholen. "Das war jetzt eigentlich die intensivste Zeit, so viel Zeit wie in der Coronazeit war ich noch nie mit ihnen zusammen." Sie hat erkannt, wie wichtig soziale Kontakte sind, das kulturelle Leben, der kreative Austausch - und wie sehr man ihn vermisst, wenn er einmal ausbleibt.

Generell ist ihr im Leben wichtig, sich immer wieder geistigen Herausforderungen zu stellen. Über Dinge neu nachdenken zu können. Auch neue Perspektiven einnehmen können. Nicht von vornherein die Lösung zu kennen und zu wissen, was richtig und was falsch ist. Dies habe sie von Alexander Van der Bellen gelernt. "Er hat sich oft mit uns hingesetzt, hat gefragt, warum sind wir eigentlich gegen das und warum für das? Wir waren dann zuerst oft ein bisschen sprachlos, aber haben dann Dinge hinterfragt und lebendig diskutiert."

"Offen bleiben im Leben und neugierig sein, Neues ausprobieren. Das gefällt mir", so Eva Glawischnig. Was sie nun wieder direkt in die Tat umsetzt: "Wer macht sich mit 52 denn noch einmal selbstständig? Das habe ich bis jetzt noch nicht gemacht, auf das freu ich mich schon."

Wie machen sich die Grünen?

Und wo wir beim Bundespräsidenten sind. Wie beurteilt sie die Arbeit ihrer ehemaligen Partei in der Regierung? Hat sie ihren damaligen Wechsel zu Novomatic mitunter "mit Trotz" und Groll begründet, findet sie heute versöhnliche Töne. Sie sei "im Herzen eine Grüne". Trotz "vorhersehbare geringer Schnittmengen" mit dem Koalitionspartner, Streit um Straßenbauprojekte, Uneinigkeiten bei Migrationsfragen, "machen die Beteiligten das gut und werden das auch weiter gut hinkriegen, davon bin ich überzeugt. Ich habe großes Vertrauen".

Gerade was den Klimaschutz angeht, wünsche sie sich ernsthafte Auseinandersetzungen, konstruktive Zusammenarbeit und sachliche Lösungen. "Ich hoffe sehr stark, dass das, was die Politik oft weitgehend bestimmt, nämlich nur, den anderen beschädigen zu wollen, ihm etwas auszurichten, dass das vielleicht einmal außen vor gelassen wird." Die Klimaschutzfrage gelte als oberste Maxime für unser wirtschaftliches Handeln, so Glawischnig: "Ohne gesunde Ökologie keine gesunde Wirtschaft und kein Wohlstand. Da muss man einen Kompromiss finden können, wie wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen. Hier könne sie nur an die Vernunft appellieren, "nicht in dieses bewährte Muster zu fallen, parteipolitisch andere schädigen zu wollen." Sondern an die Sache zu denken - und an die nächste Generation.

Stichwort in alte Muster fallen. Kommt eine Rückkehr in die Politik für Eva Glawischnig in Frage? "Nein", lautet ihre klare Antwort. "Dieses Leben kann man nur eine gewisse Zeit führen. Ich habe es lange genug gemacht."

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