Flucht

ÖVP will „Abschiebezentren“ in Afghanistans Nachbarländern

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20210729 Media event on the occasion of the departure of a contingent of the Cobra task force to Lithuania VIENNA, AUSTRimago images/SEPA.Media
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Die Volkspartei bleibt beim offiziellen Abschiebestopp nach Afghanistan – und will auch in Nachbarstaaten rückführen.

Wien. Auch am Montag sprach es im Innenministerium niemand aus. Einen offiziellen Abschiebestopp gibt es in Österreich nach wie vor nicht. Minister Karl Nehammer (ÖVP) vertritt also öffentlich die Meinung, dass Rückführungen in das Kriegsgebiet rechtlich möglich sind. Dass man mit afghanischen Behörden – welchen auch immer – über Heimreisezertifikate verhandeln kann. Und dass eine Maschine aus Österreich starten und in Afghanistan Menschen übergeben kann.

Zumindest indirekt gab Nehammer am Montag zu, dass das schlicht nicht machbar ist: „Wenn Abschiebungen aufgrund der Grenzen, die uns die europäische Menschenrechtskonvention setzt, nicht mehr möglich sind, müssen Alternativen angedacht werden“, wird er in einer Aussendung zitiert. Nehammer hatte – gemeinsam mit Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) – einen neuen Vorschlag: „Abschiebezentren in der Region rund um Afghanistan wären eine Möglichkeit.“

Bei zwei Gelegenheiten will Österreich den Vorschlag ansprechen: Schallenberg nimmt am Dienstag an der Krisensitzung der EU-Außenminister zur Lage in Afghanistan teil. Gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten werde man auch die Frage besprechen, ob man die Taliban als Machthaber anerkennen werde. Nehammer besucht den (virtuellen) Sonderrat der EU-Innenminister am Mittwoch. Offiziell soll es dort nicht um Afghanistan gehen – Nehammer will aber die Abschiebezentren thematisieren. Nähere Details zu der Idee gab es am Montag aus dem Innenministerium nicht. Eine ähnliche Diskussion sei allerdings schon einmal auf europäischer Ebene besprochen worden, hieß es. Damals wurden die Zentren – Anlandeplattformen genannt – auch nicht umgesetzt.

Die Grünen formulierten am Montag deutlicher, was sie von der Position des Koalitionspartner halten: „Alle, die jetzt nicht über akute Hilfe für die Fliehenden, sondern über Abschiebung reden – schämt euch“, schrieb die außenpolitische Sprecherin, Ewa Ernst-Dziedzic auf Facebook. Der Abgeordnete Michel Reimon richtete der ÖVP aus: „Die Polit-Taktik-Spielchen um Abschiebungen, von denen eh selbst der dümmste Erdäpfelsack weiß, dass es sie nicht geben wird, sind peinlich, aber wurscht.“ Jetzt müsse man Leben retten.

15 Österreicher noch in Afghanistan

Seit Sonntag haben sich laut Außenministerium rund 15 Österreicher gemeldet, die sich in Afghanistan befinden und das Land so rasch wie möglich verlassen wollen. Das Außenministerium bemühe sich derzeit, die österreichischen Staatsbürger auf Evakuierungsflügen anderer europäischer Länder unterzubringen.(ib)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2021)

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