Manöver und Verstärkungen

Russland und Tadschikistan wappnen sich gegen Gefahr aus Afghanistan

Russia, Uzbekistan and Tajikistan hold military drills near Afghan border in Khatlon Region
Russia, Uzbekistan and Tajikistan hold military drills near Afghan border in Khatlon RegionREUTERS
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Die russische Militärbasis 201 nahe der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe wird verstärkt, es gibt neue Manöver. Teile der afghanischen Luftwaffe sind nach Tadschikistan und Usbekistan geflohen. Dort sowie in Russland geht die Sorge vor Infiltrationsversuchen der Taliban um.

Im zentralasiatischen Land Tadschikistan, einem nördlichen Nachbarn Afghanistans, mehren sich die militärischen Vorbereitungen und Abschreckungsmaßnahmen angesichts der Taliban-Machtergreifung in Afghanistan.

Die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete am Dienstag, dass mindestens 1000 russische Soldaten im Süden des Landes ein Manöver begonnen hätten, das mindestens einen Monat lang dauern solle. Dieselben Verbände und weitere Einheiten hatten freilich erst vor rund einer Woche Übungen mit den tadschikischen Streitkräften sowie Einheiten aus Usbekistan beendet. Dabei war es ausdrücklich darum gegangen, wie man Infiltrationen aus Afghanistan heraus abwehrt.

Russia, Uzbekistan and Tajikistan hold military drills near Afghan border in Khatlon Region
Russia, Uzbekistan and Tajikistan hold military drills near Afghan border in Khatlon RegionREUTERS

In der früheren Sowjetrepublik mit ihren heute rund 9,5 Millionen Einwohnern haben die Russen ihren Stützpunkt nahe der Hauptstadt Duschanbe in jüngster Vergangenheit verstärkt und mit modernen Waffen versehen, darunter weitreichenden Flammenwerfern. Die Basis trägt den Namen „201", nach der 201. sowjetischen Schützendivision, die 1941 im Militärbezirk Moskau gegründet worden war, aber Ende 1945 ihren neuen Standort in Duschanbe bekam.

Die "Basis 201"

1979 nahm sie im Rahmen der 40. Armee am Einmarsch in Afghanistan teil und zog 1989 dort ab. Nach dem Zerfall der UdSSR verblieb die 201. Division in Tadschikistan, wurde leicht reduziert, strukturell umgebaut, 2004 formal in „Basis 201" umbenannt. Zuletzt bestand sie im Kern aus drei Regimentern und mehreren eigenständigen Bataillonen mit gesamt 6000 bis 7000 Mann, rund 100 Kampfpanzern, 300 Schützenpanzern und Mannschaftstransportern, 55 Geschützen und einer Kampffliegereinheit.

Russische und tadschikische Truppen und Grenzwächter waren in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrfach in Scharmützel mit Taliban an der afghanischen Grenze verwickelt. In den vergangenen Wochen waren mehrfach afghanische Soldaten über die Grenze geflohen, insgesamt wohl mehrere Hundert Personen. Zudem sollen seit Sonntag mindestens zwei Transportflugzeuge der afghanischen Luftwaffe in Tadschikistan gelandet sein, an Bord gesamt mehr als 100 Menschen, meist Militärs.

Flucht der fliegenden Elite

Nach Usbekistan, dem nordwestlichen Nachbarn Afghanistans, flogen seit dem Wochenende Angaben der dortigen Behörden zufolge sogar mindestens 22 Flugzeuge und 24 Hubschrauber der afghanischen Nationalarmee bzw. Luftwaffe. In ihnen waren beinahe 600 Menschen, ebenfalls meist vor den Taliban fliehende Soldaten.

Ein afghanisches Flugzeug wurde dabei widersprüchlichen Berichten zufolge von einem usbekischen Kampfjet entweder abgeschossen oder kollidierte mit diesem. Letzteres dürfte stimmen, denn beide stürzten ab, der usbekische Pilot und die zwei Insassen der afghanischen Maschine landeten per Fallschirm. Bei Letzterer dürfte es sich um ein Propeller-Erdkampfflugzeug vom Typ Embraer A-29 Super Tucano handeln; diese Flugzeuge waren die besten der Afghanen.

U.S Air Force

Die Fluchtbewegung der afghanischen Luftwaffe ist nicht zuletzt deshalb vielsagend, weil der Dienst in der Luftwaffe als besonders elitär galt und viele Piloten, Techniker und andere Mitwirkende vor allem in den USA, Großbritannien und Indien um viel Geld ausgebildet worden waren.

Sorge vor Umtrieben

Im Juli hatten tadschikische Beamte verkündet, dass Zeltlager für bis zu 100.000 Flüchtlinge vorbereitet würden. Tadschikistan, das von Präsident Emomali Rahmon seit 1994 autoritär regiert wird, verfolgt so wie Russland die Lage in Afghanistan mit Sorge. Befürchtet werden Versuche der Taliban, in Tadschikistan (rund 98 Prozent Moslems) aktiv zu werden. Zwar spielen Islamisten bzw. islamistischer Terror in dem veramten Land derzeit keine besondere Rolle, allerdings gingen Tadschiken in den Irak und nach Syrien, um dort für den islamischen Staat (IS) zu kämpfen.

(Reuters/ag./wg)

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