Analyse

Das Afghanistan-Debakel und die Frage nach der Schuld

Joe Biden nach seiner TV-Ansprache, in der er den US-Bürgern zu erklären versuchte, warum sich die USA aus Afghanistan zurückgezogen hatten.
Joe Biden nach seiner TV-Ansprache, in der er den US-Bürgern zu erklären versuchte, warum sich die USA aus Afghanistan zurückgezogen hatten.REUTERS
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US-Präsident Joe Biden schiebt so ziemlich allen anderen die Verantwortung für das Desaster in Afghanistan zu, nur sich selbst nicht. Jeder US-Präsident hatte sein Scherflein zu dem Desaster beigetragen.

Wer trägt die Schuld an dem Afghanistan-Debakel? Das „Blame Game" ist voll im Gang. Die meisten Finger zeigen auf den Mann im Weißen Haus, der den überhasteten Abzug aus dem Land am Hindukusch angeordnet hat. Doch in der Nacht auf Dienstag verteilte US-Präsident Joe Biden in einer energischen Fernsehansprache selbst ausgiebig Schuldzuweisungen: der afghanischen Führung und Armee, seinem Vorgänger, nur sich selbst nicht.

Der 78-Jährige gestand zwar ein, von der Geschwindigkeit des Eroberungsfeldzugs der radikal-islamistischen Taliban überrascht worden zu sein. Mit seinem Entschluss, die US-Truppen zurückzurufen, haderte er in seiner kalten Rede nicht einmal ansatzweise. „Ich stehe voll und ganz zu meiner Entscheidung“, erklärte er. „Nach 20 Jahren habe ich auf die harte Tour gelernt, dass es nie einen guten Zeitpunkt für einen Abzug der US-Streitkräfte gab.“ Seit der Zerschlagung von al-Qaida und der Ergreifung Osama bin Ladens vor zehn Jahren sei die Mission nicht mehr im nationalen Interesse der USA gewesen, sagte Biden. Die jüngsten Ereignisse in Afghanistan nahm er als „traurigen Beweis“ für die Aussichtslosigkeit eines weiteren Engagements. Trotz milliardenschwerer Militärhilfe hätten die afghanische Armee und die politische Führung einfach aufgegeben. US-Soldaten könne nicht länger zugemutet werden, die Stellung zu halten, wenn afghanische nicht selbst bereit seien zu kämpfen.

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