Währungsreserven

Das Dilemma der Taliban: Macht, aber keinen Zugriff auf die Konten

Geldwechsler hatten die letzten Jahre in Kabul viel zu tun. Der US-Dollar gilt als die bevorzugte Währung in Afghanistan, die eigene Währung, der Afghani - schwächelte und gerät nun noch mehr unter Druck.
Geldwechsler hatten die letzten Jahre in Kabul viel zu tun. Der US-Dollar gilt als die bevorzugte Währung in Afghanistan, die eigene Währung, der Afghani - schwächelte und gerät nun noch mehr unter Druck.(c) REUTERS (Omar Sobhani)
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Das meiste Geld des Staates Afghanistan liegt in den USA - samt 22 Tonnen Gold. Darauf haben die Taliban keinen Zugriff. Auch die Finanzhilfen dürften vorerst versiegen. Die Folgen: Inflation und somit immer teurere Lebensmittel für die Bevölkerung.

Ein islamistisches Regime übernimmt die Macht. Doch wie finanziert sich dieser Staat künftig? Diese Frage dürfte die Taliban in Afghanistan derzeit intensiv beschäftigen. Denn der Zugriff auf die Staatskonten im Ausland fehlt ebenso wie künftig Hilfsgelder und Finanzspritzen aus dem Westen. Wie groß das Geldproblem der Talibanregierung sein könnte, zeigt jener Mann auf, der es am besten wissen muss: Ajmal Ahmady, mittlerweile außer Landes geflohener Gouverneur der Zentralbank Afghanistans.

Ahmadys Nachrichten auf Twitter vom Wochenende zeichnen zuerst die dramatischen Momente seiner Flucht außer Landes nach. Wie ohne unmittelbare Vorwarnung der Staat schnell zusammenbrach - und wie schnell das Chaos um sich griff, als bekannt wurde, dass Präsident Ashraf Ghani das Land bereits verlassen hatte. Ahmady rettete sich in eine der US-Militärmaschinen, die ihn schließlich ins Ausland brachten. Laut Ahmady hätten die Taliban bereits nach ihm gesucht, vermutlich nicht nur um „ihn zu grüßen“, wie der Nationalbank-Gouverneur auf Twitter anmerkt.

Nur geringer Anteil der Reserven verfügbar

Und wenige Tage später setzt Ahmady zu einer weiteren Tweet-Kette an, um zu erklären, vor welchem finanziellen Dilemma die Taliban-Regierung derzeit stehen dürfte. „Wir können sagen, dass die für die Taliban zugänglichen Vermögenswerte vielleicht 0,1 bis 0,2 Prozent von Afghanistans gesamten internationalen Reserven ausmachen", behauptet Ahmady. „Nicht viel“, das dürften auch die Islamisten begriffen haben.

Die Geldreserven, die Afghanistan besitzt, sollen sich auf rund neun Milliarden US-Dollar (etwa 7,7 Milliarden Euro) belaufen. Wobei ein Großteil davon wiederum in den USA bei der Notenbank Fed lagert: sieben Milliarden Dollar und die gesamten afghanischen Goldvorräte. 703.000 Feinunzen Gold liegen in einem Tresor der US-Zentralbank in New York. 22 Tonnen pures Gold mit einem derzeitigen Wert von rund 1,25 Milliarden Dollar.

Das restliche Staatsvermögen liegt laut einem Bericht der „Washington Post“ auf internationalen Konten sowie 700 Millionen Dollar bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel.

Und auf all diese Summen dürften die Taliban keinen Zugriff haben. Die USA haben den Zugriff bereits blockiert - eine Anordnung von Finanzministerin Janet Yellen. Auch andere international gelagerten Summen könnten und dürften wohl eingefroren werden, etwa vom Internationalen Währungsfonds (IWF): "Derzeit herrscht innerhalb der internationalen Gemeinschaft Unklarheit über die Anerkennung einer Regierung in Afghanistan, was zur Folge hat, dass das Land keinen Zugang zu SZR oder anderen IWF-Ressourcen hat", sagt ein Sprecher. Eingefroren seien auch etwa 440 Millionen Dollar an neuen Währungsreserven. Die Ankündigung des IWF erfolgt auf Druck der USA, um sicherzustellen, dass der Anteil Afghanistans an einer für Montag geplanten Zuteilung von Sonderziehungsrechten (SZR) nicht in die Hände der Taliban fällt.

Die Direktorin des Instituts für Geld und Internationale Finanzwirtschaft an der Universität Hannover, Lena Dräger, erklärt dem deutschen Magazin „Spiegel": „Für die Taliban wird es schwierig, auf legalem Weg an Dollar zu kommen." Mit Finanzhilfen aus dem Westen dürfte vorerst Schluss sein.

Hohe Inflation, Bargeld Mangelware

Die finanziellen Sorgen der Machthaber sind allerdings auch Sorgen der afghanischen Bevölkerung - ob sie mit den Taliban sympatisieren oder nicht. Denn an Bargeld zu kommen, ist schon jetzt nicht einfach - vor allem an US-Dollar. Der häufig verwendete Dollar ist Mangelware. Größere Bargeldlieferungen hätten am Wochenenden eintreffen sollen, erklärt Ahmady. Doch diese seien von der US-Regierung gestoppt worden. Die Kunden afghanischer Banken hätten angesichts der Bedrohung zuvor zwar große Mengen an US-Dollar bestellt, jedoch aufgrund der sich überschlagenden Ereignisse nicht mehr bekommen.

Und dann gibt es noch eine Landeswährung, die zuletzt ordentlich unter Druck geraten ist. Die Folge davon: eine sich rasch in die Höhe schraubende Inflation. Die Preise für Grundnahrungsmittel und Öl explodieren bereits jetzt - auch eine Folge der Corona-Pandemie. Ahmady erwartet nun, dass die Landeswährung Afghani abwerten werde.
Grund dafür sei, dass die Zentralbank den heimischen Banken nicht
genügend Dollar zur Verfügung stellen könne. Gleichzeitig dürften
die Taliban Kapitalkontrollen anwenden, um Abflüsse ins Ausland zu
verhindern. "Die Inflation wird steigen", sagte der Notenbanker.
"Dies wird den Armen schaden, wenn die Lebensmittelpreise steigen."

(Red./Ag.)

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