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Die Wiederentdeckung des Menschen

Zeichnung Leonardo da Vinci Vitruvianischer Mensch
Zeichnung Leonardo da Vinci Vitruvianischer Mensch Imago
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„Human Centered Innovation“ ist das Thema des Jahrbuchs zu den Alpbacher Technologiegesprächen. Es zeigt, dass der Mensch mit seinen Talenten, aber auch Limitationen wieder im Fokus von Innovationen stehen soll.

Einmal mehr war es der Industrielle und ehemalige Forschungsrat-Chef Hannes Androsch, der mit deutlichen Worten die Aufmerksamkeit auf sich zog. Bei der Präsentation des aktuellen Jahrbuchs zu den Alpbacher Technologiegesprächen am Mittwochvormittag lobte er zunächst den Wert der Covid-19-Impfung für die Menschheit – um später festzustellen, dass diese auf eine noch nie dagewesene „Ballung von Dummheit“ stoße. Noch nie sei so viel Wissen verfügbar gewesen; doch der Mensch habe eine „beachtliche Neigung, sich verblöden und manipulieren zu lassen“, so Androsch. Er verwies dabei auf Verschwörungstheorien, Fake News und alternative Wahrheiten.

Doch gerade dieses Beispiel verdeutlicht, was passiert, wenn sich Menschen bei der Entwicklung neuer Technologien nicht mitgenommen fühlen: Sie akzeptieren sie nicht – und verweigern ihre Nutzung. Und das passt wiederum zum Leitthema des vorgestellten Jahrbuchs: „Human Centered Innovation“. Damit gemeint ist, dass der Mensch mit seinen Werten und Bedürfnissen wieder stärker im Mittelpunkt der Technologieentwicklung stehen muss. Und zwar von Anfang an, wie der Chefredakteur der zum fünften Mal erschienenen Publikation, Wissenschaftsjournalist Martin Kugler, betonte. Er ortet diese „Rückkehr des Faktors Mensch“ bereits in vielen Disziplinen.

Synergie mit den Maschinen

Daran, dass der Mensch neben seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten auch Limitationen habe, erinnerte Manfred Tscheligi, der am Austrian Institute of Technology (AIT) und der Uni Salzburg zum Austausch zwischen technologischen Systemen und Menschen forscht. Es brauche Synergien und einen interdisziplinären Zugang, weil es eben um den Menschen gehe. „Wir verwenden nicht nur Technologie, vielmehr leben wir mit ihr. Das löst bei uns Menschen auch viele emotionale Reaktionen aus“, eröffnet er seinen Buchbeitrag.

So sei etwa rund um Industrie 4.0 noch von Produktionsstätten ohne Menschen gesprochen worden, bei Industrie 5.0 denke man wieder stärker an den Menschen: „Die Systeme haben nicht funktioniert, weil sie keine Qualität für den Menschen hatten.“ Ähnliches sei beim gehypten Thema autonomes Fahren passiert; auch hier gehe es nun wieder stärker um ein Miteinander an der Schnittstelle von Mensch und Maschine.

Aber sollte es nicht selbstverständlich sein, bei der Entwicklung neuer Technologien – und deren Kommunikation – stets an den Menschen zu denken? Warum hat man ihn so lang außer Acht gelassen? Das liege daran, dass „wir in Isolierung in Echokammern leben und diese größeren Zusammenhänge, die notwendig sind für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, zunehmend in Vergessenheit geraten haben lassen“, sagt dazu Hannes Androsch. Der wissenschaftliche Geschäftsführer des AIT und Ko-Herausgeber der Publikation, Wolfgang Knoll, verwies hingegen darauf, dass manche Themen in der öffentlichen Diskussion erst auftauchen würden, wenn sie die Experten schon lang beschäftigen.

Insgesamt solle das Jahrbuch jedenfalls „vorab für Themen sensibilisieren, die in Alpbach diskutiert werden“, so Knoll. Das Forum wurde am Mittwoch eröffnet, die Technologiegespräche finden heuer am 26. und 27. August statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2021)

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