Fall Kampusch: "Ganz sicher nichts vertuscht worden"

Fall Kampusch Ganz sicher
Fall Kampusch Ganz sicher(c) AP (Ronald Zak)
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Die Justiz sieht nach den Vorwürfen von Ex-OGH-Präsident Rzeszut vorerst keinen dringenden Handlungsbedarf. Im Fall Kampusch geäußerte Verdachtsmomente konnten eindeutig widerlegt werden, so die Behörden.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft (KStA) hat bereits in der Vorwoche über das Justizministerium die "Sachverhaltsmitteilung" des pensionierten OGH-Präsidenten Johann Rzeszut erhalten, in der dieser im Zusammenhang mit dem Fall Kampusch schwere Vorwürfe gegen die Anklagebehörden erhebt. "Wir haben die Eingabe geprüft und sind zu der Auffassung gekommen, dass vorerst keine dringlichen und unaufschiebbaren Amtshandlungen oder Erhebungsschritte nötig sind", betonte KStA-Sprecher Friedrich König am Freitag.

Da der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofs seine Anschuldigungen auch gegen der Korruptionsstaatsanwaltschaft dienstübergeordnete Vertreter - namentlich vor allem den Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft (OStA), Werner Pleischl, - richtet, werden die Korruptionsbekämpfer den Fall nicht weiter bearbeiten. "Um jeglichen Anschein einer möglichen Befangenheit zu vermeiden, haben wir die Eingabe der Generalprokuratur übermittelt und diese ersucht, eine Staatsanwaltschaft im Sprengel Linz oder Innsbruck mit der weiteren Prüfung zu betrauen", stellte König fest.

Verwunderung bei Behördensprecher

Der Behördensprecher zeigte sich verwundert, "dass der Präsident nie an uns herangetreten ist". Rzeszut hatte seine Vorwürfe in einem mit 29. September datierten Brief an sämtliche im Parlament vertretene Parteien gerichtet und dies damit begründet, bei der Justiz wäre "eine sachdienliche ressortinterne Abhilfe nicht zu erwirken". Das Justizministerium soll über das inklusive Beilagen 46 Seiten starke Schreiben dem Vernehmen nach am 7. Oktober Kenntnis erlangt haben.

Rzeszut behauptet, die Anklagebehörden hätten bei der Aufarbeitung des Falls Kampusch "langfristige Verzögerung bzw. bis zuletzt gänzliche Unterlassung nachhaltigst indizierter wesentlicher Ermittlungsschritte" zu verantworten. Nach einem möglichen Mittäter des Entführers Wolfgang Priklopil wäre nicht ernsthaft gesucht, einer Zeugin, die mehrfach versichert hatte, sie habe zwei Männer in jenem Kastenwagen gesehen, in dem Natascha Kampusch am Heimweg von der Schule entführt wurde, "konsequent keine Beachtung" geschenkt worden.

Dem OStA-Chef Pleischl und dem damaligen Leiter der Staatsanwaltschaft Wien, Otto Schneider, hält Rzeszut vor, sie hätten nicht einmal "eine Anscheinsoptik pflichtgemäßen Fallinteresses" gewahrt. Es wäre ihnen und dem aus Graz beigezogenen Oberstaatsanwalt Thomas Mühlbacher nur darum gegangen, die Ermittlungen möglichst rasch einzustellen.

Verdachtsmomente eindeutig widerlegt

"Wir hatten großes Interesse, den Fall Kampusch in möglichst alle Richtungen aufzuarbeiten. Vor allem nach der Kritik der Evaluierungskommission. Nach der Staatsanwaltschaft Wien hat daher Oberstaatsanwalt Thomas Mühlbacher noch einmal alles geprüft. Dabei konnten von der Kommission geäußerte Verdachtsmomente eindeutig widerlegt werden", reagierte Pleischl auf die Vorwürfe des pensionierten OGH-Präsidenten.

Unter Verweis auf den umfassenden Abschlussbericht, der zur Einstellung des Verfahrens in der Sache Kampusch führte, bekräftigte Pleischl, es hätten sich keine Hinweise auf mögliche Komplizen des Entführers Wolfgang Priklopil ergeben: "Es ist ganz sicher nichts vertuscht worden. Ich sehe keinen weiteren Erhebungsbedarf." Einen solchen schlage im übrigen selbst Rzeszut in seiner Sachverhaltmitteilung nicht vor.

Die - teilweise gegen ihn, Pleischl, persönlich gerichteten - Anschuldigungen des vormaligen OGH-Präsidenten konnte sich der OStA-Chef nicht erklären: "Wir hatten einen persönlichen, über das Dienstliche hinausgehenden Kontakt. Zwischen uns hat es nie Differenzen gegeben." Rzeszut habe ihm gegenüber nie Kritik an der Tätigkeit der Anklagebehörden in der Causa Kampusch geübt.

(APA)

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