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Privatstiftungen könnten noch gemeinnütziger agieren

Boris Marte, stv. Vorstandsvorsitzender der Erste Stiftung.
Boris Marte, stv. Vorstandsvorsitzender der Erste Stiftung.Erste Stiftung
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Expertentalk 2. Alix Frank-Thomasser und Boris Marte berichteten über Möglichkeiten, mit Spenden einen Mehrwert für die Gesellschaft zu erzielen.

Boris Marte, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Erste Stiftung, berichtete zu Beginn des Expertentalks zum Thema Privatstiftungen, dass die Gründung der Erste Bank im Jahr 1819 auf das Bestreben zur Armutsbekämpfung unter Bernhard von Eskeles, dem späteren Gründer der Nationalbank, zurückgeht. „Das ist ein Auftrag, uns stets zu hinterfragen“, erklärte Marte und berichtete über die Entstehung der Zweiten Sparkasse, die Beratung, Konten und sogar Mikrokredite jenen Menschen anbietet, die normalerweise keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen haben. „Die Zweite Sparkasse ist eine eigenständige Bank, die keine Personalkosten hat, weil das Personal freiwillig mitarbeitet. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Privatstiftung einen großen Mehrwert für die Gesellschaft erbringt.“ Marte beklagte das negative Addendum von Privatstiftungen, dass sie nur aus steuerlichen Gründen ins Leben gerufen werden. Das stimme so nicht, ganz im Gegenteil, das Potenzial für die Allgemeinheit positiv tätig zu werden, wäre noch viel größer, würde das Gründen von Privatstiftungen erleichtert werden.

Alix Frank-Thomasser, Expertin für Privatstiftungen.
Alix Frank-Thomasser, Expertin für Privatstiftungen.(c) Stephan Huger

Das bemängelte auch Rechtsanwältin Alix Frank-Thomasser, die neben Marte an dem Expertentalk unter der Moderation von „Die Presse“- Redakteur Kamil Kowalcze teilnahm. „Zunächst sollte das Stiftungskapital von 70.000 Euro gesenkt werden“, meinte die Expertin. Weiters plädierte sie dafür, dass nur ein Stiftungsvorstand eingesetzt werden sollte, denn der bislang übliche Dreier-Vorstand – häufig eine ehrenvolle Aufgabe für die drei besten Freunde des Stiftungsgründers – hafte nach dem Sechs-Augen-Prinzip, um das Stiftungsvermögen richtig zu verwalten. Frank-Thomasser: „Dass alle drei alles können, wofür sie verantwortlich sind, ist unrealistisch.“ Ein zeitgemäßer Ansatz wäre, dass ein Family Office mit zahlreichen Experten den Stiftungsvorstand berät. „Durch eine klare Regelung zur Gemeinnützigkeit und der Besteuerung einer Privatstiftung könnten wir einen Vorsprung in ganz Europa erreichen. Österreichische Privatstiftungen würden europaweit agieren, wenn es steuerlich klare Richtlinien gebe. Das würde aber ein Umdenken auf der politischen Ebene erfordern.“

Spendenbegünstigte

In diesem Zusammenhang erwähnte Marte eine von der Politik initiierte Spendenbegünstigtenliste, die all jene Institutionen anführt, für die Ausschüttungen von der Kapitalertragssteuer (KEST) befreit sind. „Es setzte ein richtiger Run darauf ein, auf diese Liste zu kommen. Die Aufnahmekriterien sind intransparent, so etwas ist keine langfristige Lösung.“

Viele anerkannte Institutionen, wie beispielsweise der Musikverein, die Secession oder das Leopold Museum würde es nicht geben, wenn nicht private Initiativen gespendet hätten. Für Marte wäre die Stadt Wien um vieles ärmer, wenn es solche privaten Beiträge für gesellschaftliches Gemeinwesen nicht gebe.

Moderator Kowalcze stellte in der Folge die Frage, ob es in der Europäischen Union möglicherweise nicht so eine Kultur des Mäzentums wie in den USA gebe. Dem wiedersprach Marte und führte als Beispiel die Stadt Hamburg an: „Dort gibt es so viele Privatstiftungen wie in ganz Österreich zusammen. Es entspricht der Tradition der hanseatischen Kaufleute, soziale Konzepte wie beispielsweise Stipendien privat zu finanzieren.“ Es stimme, dass in den USA die ganz großen Spender beheimatet wären, grundsätzlich sei aber das Mäzenatentum eine europäische Idee. Marte: „Aus der Geschichte des deutschen Industriellen Robert Bosch erfahren wir, dass 90 Prozent der Gewinne gestiftet wurden, vor allem in die Finanzierung von Spitälern und Schulen.“ Ganz Stuttgart habe von diesem Unternehmenskonzept profitiert.

Es entspricht der Tatsache, dass in Deutschland die Gründung einer Privatstiftung viel einfacher vonstattengeht als in Österreich. Marte: „Was in Österreich häufig in einem Verein organisiert wird, zählt in Deutschland traditionell als Stiftung. So sind viele deutsche industrielle Familienunternehmen wie BMW oder Bertelsmann in einem Netzwerk mit anderen Stiftungen, die sich untereinander austauschen und viel Geld in die Hand nehmen, um einen positiven Beitrag zu leisten. So etwas fehlt in Österreich.“

Trust nicht verbreitet

Frank-Thomasser stimmte mit Martes Aussagen überein. Den Einwand des Moderators, dass es noch die Möglichkeit gebe, einen Trust ins Leben zu rufen, um das Familienvermögen zu verwalten, schwächte sie ab. Frank-Thomasser: „Der eher im angelsächsischen Raum verbreitete Trust ist ein zivilrechtlicher Vertrag mit einer Vereinbarung, wie nicht nur Familienvermögen zu verwalten ist. So etwas brauchen wir in Österreich nicht, weil wir ein gutes Privatstiftungsrecht haben, vor allem, wenn wir daran noch ein wenig feilen.“

Frank-Thomasser stellte infrage, ob das Privatstiftungsrecht über mehrere Generationen wirklich das geeignete Mittel sei. „Als Stifter legt man einmal den Stiftungszweck fest, an diesen Zweck hat sich der Stiftungsvorstand zu halten. Wenn keiner mehr existiert, der diesen Stiftungszweck ändern kann, könnte man nachdenken, dem Stiftungsvorstand gewisse Freiheiten einzuräumen, die Stiftungssatzung an gegebene Umstände anzupassen, damit das Vermögen in Bewegung bleibt.“ In Österreich ist eine Stiftung zunächst auf 100 Jahre angesetzt und kann dann nochmals um 100 Jahre verlängert werden. „200 Jahre sind ein langer Zeitraum, in dem viel passieren kann“, resümierte Frank-Thomasser.

Sinnstifterkreis

Die Erste Stiftung hat vor einigen Jahren den sogenannten „Sinnstifterkreis“ gegründet, eine Plattform für Privatstiftungen, um gemeinsam wichtige Projekte zu realisieren. „Da passiert echt etwas“, freute sich Marte. „Die Unabhängigkeit der Privaten im Sinne von gesellschaftsgestaltenden langfristigen Maßnahmen ersetzen staatliche Leistungen nicht, sondern ergänzen sie, wo es Schwächen gibt.“ So wurde gemeinsam mit den Sozialpartnern und in Abstimmung mit dem Unterrichtsministerium eine Initiative für Wirtschaftsbildung in den Schulen gestartet, um das Finanzwissen zu verbessern.

Marte stellte fest, dass Menschen nicht besonders intelligent mit ihrem eigenen Geld umgehen würden. Seiner Meinung nach sind Stiftungen als innovativer Teil der österreichischen Zivilgesellschaft nicht mehr wegzudenken. So auch am Höhepunkt der Flüchtlingswelle im Jahr 2015. Da waren viele Privatstiftungen bei der Initiative des Roten Kreuzes in Abstimmung mit Bürgermeistern finanziell an der Schaffung von Notunterkünften beteiligt.

Lexikon

  • Privatstiftung: Eine Privatstiftung ist ein Rechtskonstrukt, mit dem meist hohes Vermögen für einen bestimmten Zweck verwaltet wird, der nicht gemeinnützig sein muss. Ein meist wohlhabender Stifter bringt sein Vermögen ein und legt den Stiftungszweck fest.

  • Privatstiftungsgesetz: Das Privatstiftungsgesetz wurde 1993 eingeführt. Damals gab es noch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Es wurde angestrebt, große Familienvermögen, die außerhalb Österreichs geparkt waren, ins Land zurückzubringen. Das sollte verhindern, dass Familienvermögen zersplittert wird.

Mehr Informationen: www.diepresse.com/europakongress

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