Giftschlamm: Feinstaubgefahr größer als angenommen

Giftschlamm Feinstaubgefahr groesser angenommen
Giftschlamm Feinstaubgefahr groesser angenommen(c) AP (Bela Szandelszky)
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Die Bewohner kehren nach der Schlammkatastrophe wieder in das Unglücksdorf Kolontar zurück. Laut Greenpeace stellt der Rotschlamm eine enorme Gesundheitsgefahr für die Einwohner dar.

Knapp eine Woche nach ihrer Not-Evakuierung sind die Bewohner des von giftigem Bauxitschlamm überschwemmten ungarischen Dorfes Kolontar nach und nach in ihre Häuser zurückgekehrt. Die ersten der 800 Einwohner fuhren am Freitag mit Bussen aus Ajka ab, wo sie im Sportzentrum untergebracht waren. "Alles ist für die Rückkehr der Einwohner fertig", sagte eine Sprecherin des Rettungsdienstes, Györgyi Töttös. Allerdings ist das Dorf von der Polizei abgeriegelt, nur die Einwohner haben Zugang.

Die Einwohner sahen ihrer Rückkehr mit gemischten Gefühlen entgegen: "Die Hoffnung stirbt als letztes, deshalb hoffe ich, auch wenn ich alles verloren habe", sagte der 84-jährige Ferenc Farkas, bevor er einen der Busse bestieg. "Wir haben keine andere Wahl als zurückzukehren", sagte Katali Szaldi. Zwar sei ihr Haus unbeschädigt, doch könne sie es nicht verkaufen und umziehen: "Wer ist so denn verrückt und will noch freiwillig hier leben?" Am liebsten wäre es der 63-Jährigen, die Unglückfabrik würde stillgelegt - doch dann würden tausende Menschen ihre Arbeit verlieren, und das wolle sie auch nicht, sagte sie.

Forderung nach lückenloser Aufklärung

"Wir erwarten von den ungarischen Behörden endlich eine lückenlose Aufklärung der Bevölkerung, anstatt die Evakuierung des betroffenen Dorfs Kolontár einfach wieder aufzuheben", forderte Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster. Laut Analyse der Universität Wien im Auftrag der Umweltschutzorganisation ist die Feinstaubgefahr durch den Rotschlamm größer als angenommen.

Das Ergebnis bedeutet den Umweltschützern zufolge, dass "ein großer Teil des Giftschlamms zu Ultrafeinstaub werden und somit eine enorme Gesundheitsgefahr darstellen kann". Die Erklärung von Greenpeace: "Je kleiner die Feinstaub-Körnchen, desto tiefer gelangen sie in die Atemwegs-Struktur. Aufgrund ihrer Größe sind diese Partikel sehr lungengängig. Sie können bis in die Lungenbläschen dringen und so auch ins Blut aufgenommen werden." Eine zusätzliche Gefahr liege in der Verunreinigung des Schlamms mit Giftstoffen wie Arsen.

Der hohe Anteil von Ultrafeinstaub birgt das Risiko großräumiger Verfrachtungen: "Bleibt es in den nächsten Tagen trocken und kommt starker Wind dazu, dann wird sehr viel Staub aufgewirbelt werden und die Feinstaubbelastung wird dementsprechend stark ansteigen", prognostizierte Schuster. Bei entsprechender Wetterlage und Windströmung ist auch für den Osten Österreichs die Möglichkeit gegeben, vom Rotschlamm-Feinstaub erwischt zu werden, ergänzte der Greenpeace-Experte. Eine wissenschaftliche Einschätzung des Risikos sei hier aber sehr schwierig.

(Ag.)

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