Wird der Währungsstreit zum Handelskrieg?

Wird Waehrungsstreit Handelskrieg
(c) REUTERS (LUCY NICHOLSON)
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Immer mehr Experten warnen wegen des Währungskonflikts zwischen den USA und China vor einem Rückfall in den Protektionismus. Beim Treffen der G20-Finanzminister droht ein Eklat.

[Wien]Der weltumspannende Konflikt um künstlich niedrig gehaltene Währungen reißt nicht ab. Nun werden Stimmen laut, die warnen, der Währungsstreit könnte sich zu einem Handelsstreit auswachsen. Am Freitag meldete sich Pascal Lamy, der Chef der Welthandelsorganisation (WTO), zu Wort: Wenn die Regierungen versuchen, ihr Wachstum durch den Eingriff in die Wechselkurse zu beschleunigen, sei der Schritt hin zu Zollschranken nicht mehr weit.

Die zunehmenden Währungsspannungen bergen die Gefahr einer Rückkehr zu einem Protektionismus wie zur Zeit der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre, sagte er dem britischen „Guardian“. Mit seiner Angst ist Lamy nicht allein. Auch EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark warnte im „Handelsblatt“ vor den fatalen Folgen eines Wettlaufs um die schwächste Währung. Dieser könnte Protektionismus hervorrufen, und der habe zur großen Krise der Dreißigerjahre geführt.

 

US-Berater: „Protektionismus macht arm“

Der scheidende Wirtschaftsberater von US-Präsident Barack Obama sieht im aufkeimenden Protektionismus eine wachsende Bedrohung für die Weltwirtschaft: „Protektionismus macht Menschen arm, stimmt Nationen feindselig gegeneinander und schmälert Chancen für Unternehmen und Arbeiter“, sagte Lawrence Summers zur Nachrichtenagentur Reuters. Die anhaltenden Spannungen im internationalen Währungsstreit wollte er aber nicht kommentieren. Anton Börner, Chef des Deutschen Bundesverbands des Außenhandels, sieht bereits Europa als Opfer der Querelen.

Wenn die USA den Dollar weiter inflationieren und die Chinesen den Yuan nicht aufwerten, müsste das die EZB veranlassen, „auch eine Politik des leichten Geldes zu gehen“. Damit drohe ein weltweites Inflationsszenario. Und das sei für die Europäer „definitiv schlecht“, sagte Börner zu Reuters. Im Mittelpunkt des Währungsstreits, der längst globale Ausmaße angenommen hat, steht der Konflikt zwischen China und den USA. Die USA werfen der Regierung in Peking vor, den Yuan künstlich niedrig zu halten, um die chinesischen Exporte zu stärken. Zur Strafe hat das US-Repräsentantenhaus Zölle auf chinesische Produkte beschlossen und harrt nun der Zustimmung des Senats und des Präsidenten.

Öl ins Feuer gießen könnte der halbjährliche Devisenbericht der USA, der für Freitag erwartet wurde, sich aber offenbar verzögert. Vermutlich wird der Bericht erst Mitte November, nach den Kongresswahlen und einem G20-Treffen, veröffentlicht. Es wird gemutmaßt, die USA könnten China darin erstmals seit 1994 offiziell der Wechselkursmanipulation bezichtigen. Am Donnerstagabend hatten die USA erklärt, den Druck auf China aufrechtzuerhalten: Die Regierung werde nicht aufhören, von China die Erfüllung der Verpflichtungen einzufordern, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses.

Dieser „Pflicht“ ist China am Freitag zum Teil nachgekommen: Der Yuan erreichte mit 6,64 zum Dollar den stärksten Wert seit Juni. Da hatte die chinesische Regierung die Bindung an den Dollar gelöst. Mit einem Schuldeingeständnis darf das allerdings nicht verwechselt werden, folgt man den Ausführungen des chinesischen Ökonomen Li Xiang Yang: Er wirft den nordamerikanischen Kontrahenten vor, den Währungsstreit mit einer massiven Abwertung des Dollar selbst ausgelöst zu haben. „Die Abwertung des Dollar mag so aussehen, als wären Marktkräfte dafür verantwortlich. In Wahrheit ist die Abwertung aber auf sehr starke Eingriffe zurückzuführen“, so Li in der staatlichen Zeitung „Renmin Ribao“, die als Zentralorgan der Kommunistischen Partei gilt.


Showdown in Südkorea erwartet
Tatsächlich hat US-Präsident Obama zuletzt angekündigt, die US-Exporte innerhalb der nächsten fünf Jahre zu verdoppeln – dabei aber verschwiegen, wie er das anstellen will. Ökonomen vermuten zudem, dass die US-Notenbank FED durch die Ausweitung der Geldmenge die Staatsschulden zu drücken versucht: Steigt die Inflation, so werden auch die Schulden weniger „wert“. Notenbankpräsident Ben Bernanke bekräftigte am Freitag die Notwendigkeit weiterer Geldspritzen, ohne Details zu nennen.

Der internationale Währungsstreit war bereits Thema der Tagung des Internationalen Währungsfonds am vergangenen Wochenende. Eine konkrete Lösung wurde aber nicht gefunden. Der „Showdown“ wird nun für das nächste Treffen der Finanzminister der G20-Staaten erwartet, das in einer Woche in Südkorea stattfinden wird.

Auf einen Blick

Die USA sind verärgert über Chinas Wechselkurspolitik: Die Regierung halte den Wert des Yuan künstlich niedrig, um die Exporte anzukurbeln. China hingegen meint, die USA hätten den Währungsstreit durch eine den Dollar schwächende Geldpolitik selbst entfacht. Der Gipfel des Internationalen Währungsfonds ging ohne eine konkrete Lösung für den Konflikt zu Ende. Nun wird ein Showdown im Rahmen der nächsten Zusammenkunft der Finanzminister der G20-Staaten in Südkorea erwartet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2010)


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