Serie

Im Rausch des Reichtums auf Hawaii

The White Lotus
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„The White Lotus“ über wohlhabende US-Urlauber in einem Luxusresort ist eine meisterhafte Satire über Privilegien und Anspruchsdenken. Zu sehen auf Sky.

Generisch lächeln. Sie möge möglichst generisch lächeln, trägt der Hotelmanager Armond (Murray Bartlett) seiner neuen Mitarbeiterin auf, als sie winkend am Strand stehen, in Erwartung der neuen VIP-Gäste, deren Fähre gleich anlegen wird. Nur nicht mit persönlicher Individualität herausstechen, lieber eine vage, freundliche Maske aufsetzen. Das mögen diese Leute so: umsorgt und verwöhnt werden, ohne darüber nachdenken zu müssen, wer sie da eigentlich umsorgt und verwöhnt.

Serien über reiche Leute (und die charakterlichen Auswirkungen, die Reichtum offenbar mit sich bringen kann) gibt es sicher nicht zu wenige, aber kaum eine behandelt Privileg und Anspruchsdenken so scharf, so raffiniert, so witzig wie die sechsteilige Satire „The White Lotus“ von Mike White (der bisher vor allem als Drehbuchautor, etwa von „School of Rock“, in Erscheinung getreten ist). Dabei sind die Menschen, deren Urlaub im titelgebenden hawaiianischen Luxusresort hier über sechs Folgen geschildert wird, gar nicht vom äußersten Ende der Wohlstandsskala. Was sie eint, ist ihre Überzeugung, dass ihnen alles zusteht. Und dass sie sich in jedem Aspekt ihres Lebens über Geld definieren. Kann man doch alles kaufen: Erholung, Trost, Zuneigung, Respekt.

Da ist etwa die Familie einer Tech-Unternehmerin, die sich von ihrem Mann nach einer Affäre mit sündteurem Schmuck hat entschädigen lassen – deren Kinder aber auf der Couch der gemeinsamen Suite schlafen müssen. Dass die Tochter Olivia (überzeugend arrogant: Sydney Sweeney) abwechselnd über ihr Umfeld ablästert oder es über Imperialismus und kulturelle Aneignung belehrt, quittieren die Eltern mit geduldigem Augenrollen, genauso wie die Ausbrüche ihres pubertären Sohnes, der sein Tablet sogar in den Pool mitnimmt. Die von zu vielen Schönheits-OPs völlig zugeschwollene Tanya (Jennifer Coolidge als eine weinerliche, trumpeske Diva), nach Eigendefinition „sehr liebesbedürftig und zutiefst unsicher“, ist nach Hawaii gereist, um hier die Asche ihrer Mutter zu verstreuen – und besteht darauf, die Spa-Chefin (Natasha Rothwell) als Dank für ihre Massage zum Essen einzuladen.

Den Einheimischen „helfen"

Am plakativsten als verwöhntes Riesenbaby gezeichnet ist der frisch verheiratete Shane (Jake Lacy), der für seine Flitterwochen mit der unsanft in die Upper Class geplumpsten Rachel (Alexandra Daddario) nicht exakt das Zimmer bekommen hat, für das seine Mutter bezahlt hat, und deshalb einen Feldzug gegen Armond führt. Dieser verbirgt hinter seinem zuvorkommenden Grinsen und seinem gepflegten Schnauzer freilich seine eigenen Geheimnisse. So entspinnt sich ein ausgeklügeltes Handlungsnetz, das nicht nur die reichen Urlauber umfasst, sondern auch das Personal – und jene, die dazwischen stehen, wie Olivias mitgekarrte Freundin Paula, die einzige Nichtweiße unter den Gästen, die, angewidert vom aufgesetzt exotischen Ambiente und der Landraubhistorie des Hotels, den hawaiianischen Mitarbeitern auf recht problematische Art „helfen“ will.

Hier kommt viel zusammen: Klassenunterschiede und Wokeness, in ihren Maskulinitätsidealen verwirrte Männer und „Trophy Wives“, Betrachtungen über „Whiteness“ und wildbunte Zimmerdeko, Spannungsmomente (dass es am Ende eine Leiche geben wird, wird gleich zu Beginn verraten) und die stets leise flimmernde Ahnung, dass die Umstürze, die sich andeuten, vielleicht gar nie passieren werden. Manche Geschichten erzählt „The White Lotus“ auch gar nicht zu Ende - was durchaus konsequent ist: Ist es doch meist die Perspektive der Wohlhabenden, die sich letztlich durchsetzt. Die anderen verschwinden langsam aus dem Bild.

Das Kunststück, das der Serie gelingt: Sie nimmt die fehlende Bodenhaftung ihrer Protagonisten aufs Korn, ohne diese als grelle Unsympathler vorzuführen. Vielmehr zeigt sie sie – mithilfe des herausragenden Schauspielensembles – in ihrer ganzen, oft tragischen Menschlichkeit. Die bemerkenswerte Kameraarbeit tut ihr Übriges, bannt Rauschzustände (von denen es hier einige gibt) in schillernde Bilder, schleicht über Tapeten und schlüpft unter die Wellen vor dem obszön protzigen Resort, findet geniale Perspektiven für die mal einsamen, mal schwankend neben der Spur stehenden, aber stets von ihrer eigenen Besonderheit überzeugten Figuren: ein betörendes, wunderbar groteskes Meisterwerk.

„The White Lotus": Sechs Folgen, zu sehen auf Sky.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2021)

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