Wiener Ansichten

Wenn das Stadtmobiliar „Schleichts eich!“ schreit

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Vom Sitzen in Wiens öffentlichen Räumen oder: Das Ende der Gemütlichkeit.

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„Ich verlange von einer Stadt, in der ich leben soll, Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung und Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selbst.“ So weit Karl Kraus vor mehr als 100 Jahren. Was Wiens Stadtmöblierung betrifft, bliebe Herrn Kraus heutzutage ohnehin nichts anderes übrig, als wenigstens seinerseits gemütlich zu sein: Was sich da an Inkomfortabilitäten in Sachen öffentlicher Sitzgelegenheiten zuletzt angesammelt hat, trägt nichts dazu bei, den Aufenthalt in öffentlichen Räumen auch nur halbwegs annehmlich zu gestalten.
Ja, wo sind sie, die Zeiten jener Parkbänke, die, bis heute unter dem Modellnamen „Schönbrunn“ geläufig (und im Handel erhältlich), in hiesigen Parks so freundlich zum Verweilen luden, dass man sich dieser Einladung gar nicht verweigern konnte? Auf Reservate historischer Gartenanlagen beschränkt, findet sich solcherlei gerade noch geduldet, während andernorts allerlei Qual verheißende Etüden in Beton, Plastik und Stahl Rast Heischenden von vornherein ein unmissverständliches „Schleichts eich!“ entgegenschmettern. Und auch für manches aus Holz gefügte Exemplar gilt: Da sitzt man nicht, weil man will, allerhöchstens, weil man womöglich gar nicht anders kann. Von Liegen sowieso nicht zu reden.
„Deterrent Design“ heißt das im fachsprachlichen Diskurs, und „abschreckend“ ist solcherlei Gestaltung in der Tat: nicht nur für jene, denen auf diese charmante Art der Aufenthalt in öffentlichen Räumen tunlichst verleidet werden soll (Obdachlose und anderes Gelichter), sondern gerechterweise auch für die, die sich nichts sehnlicher als genau das wünschen – und für alle anderen sowieso.
Macht nichts. Irgendwann ist eben Schluss mit der Gemütlichkeit. Und wem die abgeht, der kann sie ja – siehe oben – bei sich selber suchen.

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