Kritik

Grüner Landesrat: Afghanistankurs der ÖVP "eine Schande"

Vorarlbegs Grünen-Landesrat Johannes Rauch findet deutliche Worte.
Vorarlbegs Grünen-Landesrat Johannes Rauch findet deutliche Worte.Die Presse/Clemens Fabry
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Die europäischen Staaten sollten sich gemeinsam daran machen, gefährdete Gruppen „aktiv aus Afghanistan herauszuholen", sagt Johannes Rauch und stellt sich damit gegen den Koalitionspartner.

Sollen besonders schutzbedürftige Menschen aus Afghanistan in Österreich aufgenommen werden? Diese Frage spaltet derzeit die Regierung. Während die ÖVP an ihrer Linie festhält und der zusätzlichen Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan eine klare Absage erteilt, gibt sich der grüne Koalitionspartner in Wien zurückhaltend, was offene Kritik am Koalitionspartner betrifft.

Die Kritik aus den grünen Landesparteien wird allerdings lauter. Zuletzt meldete sich Landesrat Johannes Rauch (Grüne) aus Vorarlberg zu Wort. Die Haltung der Kanzlerpartei sei „eine Schande“, sagte er im Ö1-"Morgenjournal“. Er habe eine gewisse Erfahrung mit anstehenden Parteitagen und Landtagswahlen, meinte er mit Blick auf die Oberösterreich-Wahl am 26. September, und wisse, dass man „Geräusche macht und klappert“. Die Art und Weise, wie dies nun aber geschehe „in Sachen Afghanistan, das ist jenseitig, zurückzuweisen, und eine Schande“, so Rauch, der nach mehr als 24 Jahren an der Spitze der Vorarlberger Grünen im Sommer den Parteivorsitz abgegeben hat.

Warum man diese klaren Worte nicht von der Parteispitze höre, wird er gefragt. „Ich weiß, dass es vonseiten Werner Kogler auch so gesehen wird“, antwortete Rauch, „und ich weiß auch, dass es intern in dieser Deutlichkeit angesprochen wird.“ Wie sehr es denn unter der Oberfläche der Partei brodle? Man brauche ebene eine gewisse Hitzebeständigkeit, wenn man sich in der Küche befindet, so der Landesrat. Und weiter: „Wir haben gewusst, mit wem wir uns in eine Koalition begeben. Was wir tun, ist, bestmöglich dagegenzuhalten“.

„Wir sind da säumig, nicht die EU-Kommission"

Es ginge jetzt darum, besonders schutzbedürftigen Menschen zu helfen. „Das heißt", präzisierte er, „in einem solidarischen Akt der europäischen Staaten gemeinsam die Verantwortung wahrzunehmen und besonders gefährdete Gruppen aktiv herauszuholen." Etwa Frauen, Frauenrechtlerinnen oder Menschen, die sich für eine faire Gerichtsbarkeit eingesetzt oder Übersetzungsarbeiten geleistet haben.

Man solle sich nicht weiter in Europa isolieren, so Rauch, der die „Zurufe des Innenministers" als „mehr als entbehrlich" bezeichnete. Karl Nehammer (ÖVP) hatte zuvor von „völlig falschen Signalen" gesprochen, die die EU-Kommission sende, indem sie etwa legale Fluchtrouten vorschlage. Man sollte sich nicht weiter isolieren in Europa, so Rauch."Wir sind es, die da säumig sind, nicht die EU-Kommission." Die verfolge „den richtigen Ansatz“.

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Am Abend davor sprach sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen deutlich für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan aus. Er glaube, es gebe eine rechtliche, moralische und politische Verpflichtung für die EU und ihre Mitgliedsstaaten, Schutz für jene zu bieten, die ihr Land verlassen müssen. An der Spitze sollten demnach Frauen und Mädchen stehen, die für die EU bzw. ihre Länder gearbeitet haben.

(bsch)

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