Afghanistan

"Schadet Ansehen": Kogler vermisst Menschlichkeit bei ÖVP

Vizekanzler Werner Kogler und Landerat Johannes Rauch (beide Grüne) im Zug zwischen Dornbirn und Bludenz, aufgenommen 2019.
Vizekanzler Werner Kogler und Landerat Johannes Rauch (beide Grüne) im Zug zwischen Dornbirn und Bludenz, aufgenommen 2019. APA/GEORG HOCHMUTH
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Der Vizekanzler meldet sich in der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan zu Wort. Er will nicht "über rechtlich Unmögliches“ diskutieren. Der ÖVP-Klubchef weist Kritik an der türkisen Haltung zurück.

Vizekanzler Werner Kogler bezieht nach zunehmender Kritik aus der eigenen Partei an der Haltung der grünen Regierungsmitglieder zur Frage nach der Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan Position. Österreich sei international immer ein verlässlicher Partner gewesen, wenn es um Menschenrechte und humanitäre Hilfe geht, ließ er am Mittwoch in einer Aussendung mitteilen. Außerdem wandte er sich gegen den Koalitionspartner, dem er einen Mangel an Menschlichkeit attestierte.

Jetzt "aus offenbar taktischen Gründen" einen anderen Weg einzuschlagen, "lässt angesichts der dramatischen Bedrohung gerade von Frauen und Kindern nicht nur die notwendige Menschlichkeit vermissen, sondern schadet auch massiv dem internationalen Ansehen Österreichs und unserer Rolle als verlässlicher Partner in Europa", sagte Kogler in Richtung ÖVP.

Und weiter: "Es ist wichtig, dass der Innen- und der Außenminister auf dem festen Boden der Verfassung und Menschenrechtskonvention wieder aktiv an einer Lösung arbeiten, die dieser Rolle Österreichs in Europa gerecht wird und Österreich nicht noch weiter in der europäischen Gemeinschaft isoliert", richtete Kogler seinen türkisen Kollegen in den jeweiligen Ressorts aus. Es müsse alles auf europäischer Ebene Mögliche getan werden, anstatt "fortwährend über rechtlich Unmögliches" zu diskutieren.

Rauch ortet „Schande“ 

Ähnlich äußerte sich am Mittwoch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Derzeit könne es rein rechtlich keine Abschiebungen nach Afghanistan geben -"das hat sich in der Zwischenzeit herumgesprochen". Daher müsse das europarechtlich Mögliche getan werden anstatt darüber zu diskutieren, was man in Österreich nicht tun könne, nämlich abschieben.

Zuvor hatte Vorarlbergs Grünen-Landesrat Johannes Rauch die Weigerung der ÖVP, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen, im Ö1-"Morgenjournal" als "eine Schande" bezeichnet. Auch wenn es seitens der ÖVP üblich sei, vor Parteitagen oder vor Landtagswahlen wie jetzt in Oberösterreich, "Geräusche zu machen", so sei das im Hinblick auf Afghanistan "jenseitig" und "zurückzuweisen", so Rauch. Das werde von Kogler auch so gesehen, versicherte er vor dem Statement seines Parteichefs.

Wöginger kontert grüner Kritik

ÖVP-Klubobman August Wöginger wies die Kritik an der Haltung seiner Partei indes zurück: Rauch solle "seine Energie in Sacharbeit investieren und nicht in Streit", richtete Wöginger dem Grünen via Ö1-"Mittagsjournal" aus. Er halte auch wenig davon, "den politischen Mitbewerber herabzuwürdigen und ihm moralische Werte abzusprechen," sagte der ÖVP-Klubobmann. Dennoch zeigte sich Wöginger zuversichtlich, dass die türkis-grüne Koalition so wie bisher bei unterschiedlichen Positionen auch hier zu Lösungen kommen werde. Die Frage des koalitionsfreien Raums steht für ihn dabei nicht zur Diskussion.

Diverse Haltungen zum Thema Flüchtlingsaufnahme gibt es aber nicht nur in der Koalition, auch innerhalb der SPÖ werden sie derzeit sichtbar. So forderte der burgenländische Landesgeschäftsführer Roland Fürst jüngst den Rücktritt von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) - aber unter Kritik daran, dass wegen dessen substanzloser Asylpolitik zu viele Menschen über Österreichs Grenzen kämen. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) unterstrich hingegen die Bereitschaft, in Wien Menschen aus Afghanistan aufzunehmen, "die sich für demokratische Werte und die westliche Welt eingesetzt haben" - wie Richterinnen, Journalistinnen oder Frauenrechterlinnen.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch will das aber nicht als parteiinternen Konflikt interpretieren lassen. "Es gibt nur eine gemeinsame Linie" in der SPÖ, sagte er im Ö1-"Mittagsjournal", nämlich "Integration vor Zuzug" und gleichzeitig Menschen zu helfen, , die vom Tod bedroht sind, weil sie für demokratische Werte eingetreten sind. Somit seien alle in den vergangenen Tagen genannten Argumente in sich schlüssig, befand Deutsch.

(APA/Red. )

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