Mozart, schneller als bei Currentzis

Pristine Neuerscheinungen
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Neue CDs. Während in Salzburg über rasche Tempi diskutiert wird, beweisen zwei Neuerscheinungen historischer Mitschnitte, wie schnell Dirigenten anno dazumal waren.

Zu schnell, hieß es, wenn man mit Opernfreunden über die jüngste „Don Giovanni“-Premiere der Salzburger Festspiele sprach. Ob eine solche Kategorisierung zulässig ist? Dann wäre wohl auch ein Herbert von Karajan einst dem Verdikt zum Opfer gefallen. Jedenfalls war er schneller, viel schneller unterwegs als sein Kollege Karl Böhm, um bei den dominanten Mozart-Dirigenten jener Festspielära zu bleiben.
Das Tempo allein macht es nicht aus.

Was ist "zu schnell"?

Es geht wohl eher darum, ob ein Dirigent eine veritable Interpretation anzubieten hat, erarbeitet im Wissen um die Notwendigkeiten und die Geheimnisse der dramaturgischen Struktur einer Partitur und die Zusammenhänge, die sich durch sinnvolle Tempo-Relationen ja erst schaffen lassen.
Darum kann es letztlich nur gehen, wenn die Wiedergabe eines klassischen Meisterwerks zu bewerten ist. Ob „Molto allegro“ dann 114 Schläge pro Minute bedeutet (wie bei Furtwängler) oder 140 (wie bei Karajan – beide gemessen an ihren Salzburger Livemitschnitten) ändert nichts an der Qualität einer Interpretation.

Mozart, rasant, anno dazumal

Der Zufall will es, dass dieser Tage vom Label Pristine zwei CDs mit historischen Aufnahmen in den Handel gebracht wurden, die beweisen, dass hochmögende Musiker schon vor Jahrzehnten Mozart noch viel schneller aufgeführt haben, als Teodor Currentzis mit seinem sibirischen Ensemble das je wagen würde. Und in beiden Fällen käme vermutlich kaum ein Musikfreund auf die Idee, vorrangig über das Tempo zu diskutieren.
Die außerordentlichen Leistungen, die Andrew Rose in seinem Pristine-Studio bei der Restaurierung alter Schallplatten und Tonbänder vollbringt, bescheren uns mit diesen beiden CD-Ausgaben erneut aufschlussreiche Hörerlebnisse anhand von Aufnahmen, deren Alter man in den vorliegenden Umschnitten nicht erahnen würde: Vom 13. November 1937 stammt der Mitschnitt des ersten Konzerts, das Pierre Monteux mit dem gerade gegründeten NBC Orchester in New York gab – Arturo Toscanini, für den das Ensemble zusammengestellt wurde, war noch gar nicht angekommen!

Die schnellste "Haffner-Symphonie"

Monteux realisiert mit dem von Artur Rodzinsky trainierten Orchester ungemein delikat ausbalancierte Wiedergaben von Werken wie Debussys „Iberia“ oder Richard Strauss' „Till Eulenspiegel“, der voll Witz und Charme steckt. Vor allem aber statuiert er anhand von Mozarts „Haffner-Symphonie“ ein Exempel in Sachen Temperament, Verve und analytischer Klarheit: Eine schnellere Wiedergabe dieser Symphonie (apropos!) wird man schwerlich finden, aber auch keine transparentere, bei der noch die kleinste Nebenstimme akkurat sitzt.

Der Geiger Adolf Busch

Ähnliches lässt sich von dem ausschließlich Mozart gewidmeten Album mit Aufnahmen des Geigers und Ensembleleiters Adolf Busch behaupten, dem ganz in diesem Sinne die beste, charmanteste Aufnahme des A-Dur-Konzerts gelang, die ich kenne, aber auch ein liebevoll dialogisches Es-Dur-Klavierkonzert (KV 449) mit Rudolf Serkin, zu dessen seelenvollem Klangbild auch die wohlgelaunten Instrumentalgruppen der Busch Chamber Players ihren Teil beitragen: Eine Opera buffa für den Konzertsaal, nicht ohne melancholisch-nachdenkliche Zwischentöne.

Wie da eines Sinnes im Wissen um den rechten Tonfall aufgespielt wird, lässt sich auch an den schlafwandlerisch sicheren Duetten studieren, die Adolf Busch mit seinem Sekundgeiger Gösta Andreasson in der „Serenata notturna“ absolviert. Das waren Zeiten, in denen man über „Stil“ noch nicht geredet hat, man „hatte“ ihn. Wer das hört, verschmerzt auch leicht, dass man im Fall der Symphonie KV 338 sogar Adolf Buschs Tempi schlicht und einfach für „zu schnell“ halten könnte . . .

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