Im Bundestag wird hitzig über das Fiasko in Afghanistan gestritten. Die Kanzlerin verzichtet in ihrer vielleicht letzten Regierungserklärung auf eine Entschuldigung im Namen der Regierung.
Berlin. Als Angela Merkel im Juni im Bundestag eine Regierungserklärung abgab, wirkte sie gänzlich ungerührt. „Sachlich und unemotional“, lautete hernach der Tenor über ihren Auftritt, vom dem es hieß, es sei nach 16 Kanzlerjahren wohl ihr letzter gewesen. Aber das war ein Irrtum. Die Tragödie am Hindukusch zwang Merkel am Mittwoch erneut zu einer, nur vielleicht letzten, Regierungserklärung und diesmal war die Atmosphäre weniger freundlich. An ihrer schwarz-roten Koalition klebt der Vorwurf des Versagens, weil erst spät die Rettung der afghanischen Ortskräfte eingeleitet wurde, weil die frühe Ausreise treuer Helfer auch an bürokratischen Hürden gescheitert war, weil Warnungen der Botschaft in Kabul ignoriert wurden und die hiesigen Nachrichtendienste, wie viele andere, die Blitzeroberung Kabuls durch die Taliban nicht kommen sahen. Zumindest lauten so die Vorwürfe.
Die Kanzlerin hatte noch nicht gesprochen, da wählte Wolfgang Schäuble, der Bundestagspräsident, emotionale Worte: „Die Verzweiflung der Menschen am Flughafen in Kabul zerreißt einem das Herz.“ Schäuble, selbst noch immer eine Autorität in der CDU, konstatierte einen „Autoritätsverlust des Westens“, den andere längst ausnutzten. Die Hilfe für Ortskräfte nannte er eine „Frage der Mitmenschlichkeit“ im Angesicht einer „unmenschlichen Bedrohung“.