Bei dem mutmaßlichen Selbstmordanschlag starben laut Taliban-Vertretern 13 Menschen, darunter Kinder. Deutschland stellte seine Evakuierungen ein, die USA wollen bis zum Abzug ihrer Soldaten am Dienstag weitermachen.
Bei einem mutmaßlichen Selbstmordanschlag außerhalb des Flughafens von Kabul, vor dem sich in den Tagen zuvor tausende Afghanen gesammelt hatte, hat es am Donnerstag mehrere Opfer gegeben. Ein Vertreter der Taliban sprach von 13 Toten, darunter mehrere Kinder sowie Taliban-Mitglieder. Die Nichtregierungsorganisation Emergency berichtete, dass mindestens sechs Menschen getötet worden seien. Mehr als 30 weitere seien verletzt worden, teilte Emergency auf Twitter mit. Die NGO betreibt ein Krankenhaus vor Ort.
Der TV-Sender Al Jazeera berichtete, auch Ausländer seien unter den Opfern. Nach Auskunft eines US-Regierungsvertreters wurden Mitglieder der US-Sicherheitskräfte verletzt. Auch Amerikaner seien bei dem Anschlag zu Schaden gekommen, schrieb der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, am Donnerstag auf Twitter und bezeichnete den Angriff an einem der Flughafen-Tore als "komplexe Attacke". Eine Zahl von Toten oder Verletzten nannte er nicht. Kirby bestätigte außerdem, dass es zu einer weiteren Explosion bei einem nahe gelegenen Hotel gekommen sei. Zuvor hatte bereits die Türkei von zwei Explosionen berichtet.
Deutschland, Italien, Großbritannien und die Türkei erklärten, es seien keine Soldaten aus ihren Ländern unter den Opfer. Wie sich der Zwischenfall auf die laufenden Evakuierungen auswirken würde, war zunächst unklar. Ein auf Twitter geteiltes Bild, das offenbar vom Inneren des Flughafengeländes aufgenommen wurde, zeigte eine große Rauchwolke. Der lokale Fernsehsender ToloNews veröffentlichte auf Twitter Bilder, auf denen zu sehen ist, wie Verletzte in Schubkarren transportiert werden.
Der gut vernetzte afghanische Journalist Bilal Zarwari schrieb auf Twitter, ein Selbstmordattentäter habe sich in einer großen Menschenmenge in die Luft gesprengt. Mindestens ein weiterer Angreifer habe danach das Feuer eröffnet. Zarwari berief sich auf mehrere Augenzeugen in dem Gebiet.
Tränengas am Flughafen eingesetzt
Nach der Explosion hätten US-Soldaten an einem anderen Flughafengate Tränengas eingesetzt, um die Menschen auseinander zu treiben, sagte ein Bewohner Kabuls, der an diesem Gate war. Er schätzte, zu dem Zeitpunkt seien dort 2.000 bis 4.000 Menschen gestanden. Mehrere Frauen und Mädchen seien durch das Tränengas verletzt worden.
Westliche Sicherheitskreise hatten zuvor vor einer erhöhten Gefährdungslage rund um den Flughafen gewarnt. Es lagen demnach Hinweise vor, dass der afghanische Ableger des "Islamischen Staates" (IS) Anschläge plane. Die IS-Miliz und die Afghanistan jetzt regierenden radikalislamischen Taliban sind verfeindet.
Deutschland beendet Evakuierungen
Indes hat die Deutsche Bundeswehr am Donnerstagnachmittag die Evakuierungen am Flughafen Kabul zur Rettung von Deutschen und einheimischen Mitarbeitern aus Afghanistan beendet. Die drei letzten Flugzeuge hoben nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Abend (Ortszeit) vom Flughafen Kabul aus mit dem Ziel Taschkent in Usbekistan ab. Die Bundeswehr hat damit am Donnerstag mit insgesamt vier Maschinen Schutzbedürftige und Soldaten dieses Einsatzes ausgeflogen.
Drei Maschinen wurden am Freitag zurück in Deutschland erwartet. In der Bundeswehr liefen Planungen für einen Empfang mit Rückkehrerappell auf dem niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf. Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn sagte am Donnerstag, dass die Bundeswehr seit Beginn des Einsatzes am 16. August 5.200 Menschen aus 45 Nationen ausgeflogen habe. Darunter seien 4.200 Afghanen und 505 deutsche Staatsbürger. Zwei Hubschrauber, die für die Evakuierungsaktionen nach Kabul transportiert worden waren, sind bereits wieder ins usbekische Taschkent gebracht worden. Dort befindet sich das Drehkreuz der Bundeswehr für die Evakuierung.
Belgien, Dänemark, Polen und Kanada stellten die Evakuierungen bereits ein, die Niederlande planten das noch für Donnerstag, Frankreich für Freitag. Wie das österreichische Außenministerium in Wien mitteilte, arbeite das Krisenteam vor Ort weiterhin vehement daran, Österreicher und Afghanen mit einem Aufenthaltstitel in Österreich auf Evakuierungsflügen westlicher Staaten - darunter Deutschland - unterzubringen. Kritik an den Rettungsmaßnahmen gab es seitens der SPÖ.
USA evakuiert bis Dienstag
Das US-Verteidigungsministerium trat indes Befürchtungen entgegen, die Evakuierungsflüge der USA am Flughafen in Kabul könnten bereits mehrere Tage vor dem geplanten Abzug der amerikanischen Truppen enden. "Die Evakuierungsoperationen in Kabul werden nicht in 36 Stunden abgeschlossen sein", twitterte Pentagon-Sprecher John Kirby. Die USA wollten bis zum Ende der Mission weiter "so viele Menschen wie möglich evakuieren". Bis zum Monatsende am kommenden Dienstag wollen die USA ihre Truppen aus Kabul abziehen.
Laut US-Angaben wurden am Mittwoch rund 13.400 Personen aus Afghanistan ausgeflogen. Damit steigt die Zahl der von den USA und ihren Alliierten seit dem 14. August evakuierten Menschen auf rund 95.700.
Die Innenminister der Europäischen Union werden am Dienstag bei einem Krisentreffen die Konsequenzen aus den Entwicklungen in Afghanistan beraten. Dabei gehe es um Sicherheit und Immigration, teilte die slowenische Ratspräsidentschaft mit.
Unterdessen verlassen immer mehr Afghanen ihr Heimatland in Richtung Pakistan. Aktuell überquerten jeden Tag mindestens 10.000 Afghanen die Grenze, so ein Grenzbeamter. Zuvor seien es an normalen Tagen etwa 4.000 gewesen.
Südkorea teilte mit, dass das Land knapp 400 Afghanen aufnimmt. Die Türkei betonte, keine weiteren Flüchtling aufzunehmen. Man sei "niemandes Flüchtlings-Lagerhalle", urgierte Präsidentensprecher Ibrahim Kalin.
Die Innenminister der Europäischen Union werden am Dienstag bei einem Krisentreffen die Konsequenzen aus den Entwicklungen in Afghanistan beraten. Dabei gehe es um Sicherheit und Immigration, teilte die slowenische Ratspräsidentschaft mit.
(APA/dpa/Reuters)