Afghanistan

Biden droht nach Anschlag in Kabul: "Wir werden euch jagen"

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US-Präsident Joe Biden droht nach dem Bombenanschlag des IS in der Nähe des Flughafens Kabul mit Vergeltung. 13 US-Soldaten, 28 Taliban und 60 Zivilisten kamen dabei ums Leben.

Nach dem verheerenden Anschlag in der Nähe des Flughafens von Kabul hat US-Präsident Joe Biden den dafür verantwortlichen Terroristen mit Vergeltung gedroht. "Wir werden euch jagen und euch dafür bezahlen lassen", sagte Biden am Donnerstag im Weißen Haus. Er kündigte Einsätze des US-Militärs gegen die für den Anschlag verantwortliche Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an - und die Fortsetzung der Evakuierungen aus Afghanistan.

Die Terroristen könnten die USA nicht dazu bringen, ihre "Mission" zu stoppen, betonte Biden mit Blick auf die verbliebenen Amerikaner im Land. "Wir werden sie finden, und wir werden sie da rausholen."

Bei den Explosionen vor dem Flughafen von Kabul sollen indes mindestens 28 Taliban-Mitglieder ums Leben gekommen sein. Wie ein Mitglied der Taliban gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärt, hätten sie damit mehr Einsatzkräfte verloren als die Amerikaner. Die USA haben zuletzt 13 getötete Soldaten gemeldet. Insgesamt sollen bei den Anschlägen 60 Zivilisten ums Leben gekommen sein.>>> Die Luftbrücke aus Afghanistan endet im Bombenterror des Islamischen Staats [premium]

Unbestätigte Medienberichte und Videos vom Tatort deuten auf Dutzende einheimische Todesopfer hin, hinzu kommen zahllose Verletzte. Das US-Verteidigungsministerium erklärte, es seien auch 18 Soldaten verwundet worden. Die Verletzten würden in speziell ausgerüsteten Flugzeugen ausgeflogen, hieß es.

Schwersten Verluste für die USA seit einem Jahrzehnt

Für die US-Streitkräfte waren es die ersten Soldaten seit Februar vergangenen Jahres, die in Afghanistan gewaltsam ums Leben kamen - und die schwersten Verluste dort seit einem Jahrzehnt. Biden ordnete an, die US-Flaggen über dem Weißen Haus und an allen öffentlichen Gebäuden bis Montagabend auf halbmast zu setzen, um der Opfer zu gedenken.

Der in Afghanistan aktive Ableger der Terrormiliz IS reklamierte den Anschlag für sich. Biden erklärte mit Blick auf die Gruppe, die USA hätten Informationen dazu, wo sich die Drahtzieher der Anschläge aufhalten - und würden auch ohne große Militäreinsätze Möglichkeiten finden, diese zur Rechenschaft zu ziehen, "wo auch immer sie sind". Seine eindringlichen Worte an die Terroristen: "Wir werden nicht vergeben. Wir werden nicht vergessen."

Nach US-Angaben hatten sich mindestens zwei Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Eine der Detonationen ereignete sich demnach an einem Tor zum Flughafengelände, an dem US-Soldaten im Einsatz waren. Eine Reihe von Kämpfern der Terrormiliz IS habe anschließend das Feuer auf Zivilisten und Soldaten eröffnet, sagte US-General Kenneth McKenzie, der das US-Zentralkommando Centcom führt. Er warnte, es müsse mit weiteren Anschlägen gerechnet werden. "Wir tun alles, was wir können, um auf diese Angriffe vorbereitet zu sein", sagte er. Es handle sich um eine "extrem aktive Bedrohungssituation".

„Sie sind keine guten Kerle, die Taliban“ 

Die Evakuierungsmission in Kabul wurde dennoch weitergeführt. Die US-Luftwaffe und Flugzeuge Verbündeter hätten am Donnerstag ab dem Vormittag bis kurz vor Mitternacht (Ortszeit Kabul) rund 7500 Menschen evakuiert. Damit sei die Zahl der seit Mitte August ausgeflogenen Afghanen und westlicher Staatsbürger auf 100.100 angestiegen, erklärte ein Vertreter des Weißen Hauses.

Die deutsche Luftwaffe flog am Donnerstag alle Bundeswehrsoldaten, Diplomaten und verbliebenen Polizisten aus dem Krisenstaat aus, wie Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte. Nach Angaben der Ministerin wurden 5347 Menschen aus mindestens 45 Ländern evakuiert, darunter rund 500 Deutsche und mehr als 4000 Afghanen.

Der Evakuierungseinsatz der gut 5000 US-Soldaten in Kabul soll trotz der jüngsten Ereignisse wie geplant am Dienstag kommender Woche enden, wie Biden betonte. Damit können auch die Verbündeten ihre Staatsbürger und frühere örtliche Mitarbeiter nicht mehr evakuieren. Die Bundesregierung und die USA setzen allerdings darauf, dass die Taliban auch nach dem 31. August weiter kooperieren werden, um Ausreisen zu ermöglichen. Im Gegenzug dürften sie auf gewisse Hilfen der internationalen Gemeinschaft hoffen, so die Logik. Biden erklärte: "Sie sind keine guten Kerle, die Taliban. Das meine ich überhaupt nicht. Aber sie haben ein klares Interesse."

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte anlässlich des Endes des deutschen Evakuierungseinsatzes: "Wir sind mit Hochdruck und Nachdruck dabei, eben Bedingungen auszuhandeln mit den Taliban darüber, wie weitere Ausreisen auch möglich sein werden."

Die militant-islamistischen Taliban kontrollieren Kabul und damit auch das Gebiet um den Flughafen. Die Sicherheitslage hatte sich dort zuletzt noch einmal deutlich zugespitzt. Die Bundeswehr hatte bereits am Dienstag berichtet, dass zunehmend potenzielle Selbstmordattentäter des IS in Kabul unterwegs seien. Ähnlich hatte sich Biden geäußert. Die Terrormiliz sei auch ein "erklärter Feind" der Taliban, hatte er Anfang der Woche erklärt. Biden begründete unter anderem mit dieser Terrorgefahr auch sein Festhalten am Abzug der US-Truppen.

Afghanen flüchten in Richtung Pakistan

Tausende Menschen versuchen weiterhin vor der Gewalt ins Ausland zu fliehen. Seit mehr als einer Woche versammeln sie sich rund um verschiedene Eingänge des Flughafens, um auf einen Evakuierungsflug zu kommen. Dabei herrschten rund um den Flughafen dramatische Zustände.

Unterdessen brechen immer mehr Afghanen über Land in Richtung Pakistan auf. Täglich überquerten mindestens 10.000 Afghanen die Grenze bei Spin Boldak/Chaman, sagte ein Grenzbeamter. Zuvor seien es an normalen Tagen etwa 4000 gewesen. Die meisten seien auf dem Weg zu Verwandten in Städten und Regionen unweit der Grenze.>>> Kann Afghanistan ohne Hilfe überleben? [premium]

Die Taliban hatten Mitte August die Macht in Afghanistan an sich gerissen. Die meisten Einheiten der afghanischen Sicherheitskräfte ergaben sich kampflos, Präsident Ashraf Ghani floh außer Landes.

(APA/DPA)

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