Kabul

USA rechnen mit weiteren IS-Attentaten in Afghanistan

Spanish PM Receives Country s Last Kabul Evacuation Flight Arrivals from Afghanistan at the Torrejon de Ardoz air base
Spanish PM Receives Country s Last Kabul Evacuation Flight Arrivals from Afghanistan at the Torrejon de Ardoz air baseimago images/NurPhoto
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Nach dem Vergeltungsanschlag der USA rechne man mit weiteren Angriffen. Um eine sichere Ausfuhr zu ermöglichen, müsse man mit den Taliban zusammenarbeiten. Man sei sich der Ironie bewusst, erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses Jen Psaki.

Die USA stellen sich nach dem Vergeltungsangriff auf die Extremistengruppe "Islamischer Staat" (IS) auf die gefährlichste Phase der am Dienstag endenden Evakuierungen ein. Das Ausfliegen von Ausländern aus Afghanistan werde zügig fortgesetzt, sagte ein Vertreter westlicher Staaten. Jedem solle in den kommenden 48 Stunden eine Ausreise ermöglicht werden. Seinen Angaben zufolge haben Kämpfer der Taliban und ihre Kommandanten den Kreis um den Kabuler Flughafen enger gezogen.

Auf das Flughafengelände seien sie jedoch nicht vorgedrungen, hieß es am Samstag. Nach dem IS-Selbstmordattentat vor einem Tor des Flughafens mit 92 Toten, darunter 13 US-Soldaten, hat die US-Armee am Freitag ein Ziel in der afghanischen Provinz Nangarhar an der Grenze zu Pakistan angegriffen. "Ersten Angaben zufolge haben wir das Ziel getötet. Wir wissen von keinen zivilen Opfern", hieß es in einer Erklärung des US-Militärs. Augenzeugen in Jalalabad, der Hauptstadt von Nangarhar, berichteten von Explosionen bei einem Luftangriff in der Umgebung der Stadt.

Vernichtung des IS-Ablegers gelang in sieben Jahren nicht

Ein Vertreter der US-Regierung, der nicht genannt werden wollte, sagte, mit einer Drohne vom Typ Reaper sei ein Wagen angegriffen worden. Darin seien ein Planer des Attentats und ein IS-Mitglied gewesen. US-Präsident Joe Biden hatte das Verteidigungsministerium angewiesen, einen Angriff auf ISIS-K, den afghanischen IS-Ableger, zu planen. Die mit dem IS verfeindeten Taliban erklärten, einige IS-Mitglieder seien verhaftet worden.>>> Biden: „Wir werden euch jagen“ 

Der IS hat sich zu dem Attentat bekannt. Experten warnten, abgesehen von symbolischen Akten oder begrenzten Angriffen könnten die USA wenig ausrichten, um den ISIS-K existenziell zu treffen. "Wir haben seit 2014 versucht, die Gruppierung in Afghanistan zu zerstören und haben es mit Tausenden Bodentruppen nicht geschafft", begründete ein US-Offizier die Einschätzung.

In den kommenden Stunden müssen die USA und die in Kabul verbleibenden Alliierten neben Ausländern und Ortskräften rund 5.000 Soldaten evakuieren. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, erklärte, es gebe "spezifische und glaubhafte" Hinweise für weitere Anschläge. Die US-Regierung teilte mit, der Abschluss sei sehr wahrscheinlich die gefährlichste Phase des gesamten Einsatzes. Nach Angaben von Armee-Mitgliedern wird die Gefahr umso größer, je weniger Soldaten am Flughafen sind. Die letzten deutschen Bundeswehrsoldaten aus Kabul waren am Freitag zurückgekehrt. Zudem haben auch die spanischen, französischen und italienischen Streitkräfte ihre Evakuierungsmission inzwischen beendet.

Kooperation mit Taliban unausweichlich für USA

Wie US-Regierungssprecherin Jen Psaki mitteilte, werde man nach dem Truppenabzug in manchen Bereichen mit den radikalislamischen Taliban kooperieren müssen, um weitere Ausreisen zu ermöglichen. "Die Realität ist, die Taliban haben große Teile Afghanistans unter ihre Kontrolle gebracht." Zudem machte der IS-Anschlag deutlich, die Zusammenarbeit mit den lange Zeit bekämpften Taliban könnte die beste Möglichkeit sein, um Afghanistan davon abzuhalten, wieder ein Rückzugsort für terroristische Gruppierungen zu werden.

Die US-Regierung ist sich der Ironie bewusst, die in ihrer aktuellen Kooperation mit den militant-islamistischen Taliban steckt. "Ich glaube, Ironie ist ein viel zu schwacher Begriff", sagte die Sprecherin der US-Regierungszentrale, Jen Psaki, am Freitag in Washington auf die entsprechende Nachfrage eines Journalisten. Dies seien aber die Umstände, mit denen die USA in Afghanistan konfrontiert seien.>>> Afghanistan, der Tummelplatz für Extremisten [premium]

Die Taliban kontrollierten das Land. Um US-Bürger, afghanische Helfer oder andere Schutzbedürftige evakuieren zu können, müssten die USA sich mit den Taliban abstimmen. "Dies ist keine bevorzugte Beziehung", sagte Psaki, betonte aber: "Dies ist nicht der einzige Ort auf der Welt, an dem wir mit Gegnern oder früheren Feinden zusammenarbeiten müssen, um Ziele der nationalen Sicherheit der USA voranzutreiben."

Der US-geführte Einmarsch in Afghanistan hatte Ende 2001 zum Sturz des Taliban-Regimes geführt. Die Islamisten bekämpften danach die ausländischen Soldaten und die afghanischen Sicherheitskräfte. Vor etwa zwei Wochen hatten die Taliban nach einem Eroberungsfeldzug im Land wieder die Macht in Afghanistan übernommen. Seitdem versuchen die USA und ihre Verbündeten verzweifelt, ihre eigenen Staatsbürger, afghanische Helfer und andere Schutzbedürftige vor den Taliban in Sicherheit zu bringen und auszufliegen. Für die Abwicklung der Evakuierungsmission stimmen sie sich auf verschiedenen Kanälen mit den Taliban ab.

(APA/DPA)

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