Ferry Maier: Ein Mann für alle Unfälle

Ferry Maier Mann fuer
Ferry Maier Mann fuer(c) FABRY Clemens
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Schadenfreude kann ein Hobby werden: Ferry Maier, Evergreen der Wiener ÖVP, fühlt sich am wohlsten, wenn er die Niederlagen seiner Partei kommentieren darf.

Vielleicht liegt es nicht nur an dem, was er sagt. Vielleicht liegt es auch am Gesichtsausdruck, an der Körperhaltung, am Klang der Worte. Die Wirkung ist jedenfalls verblüffend: Wenn Ferry Maier, ÖVP-Nationalratsabgeordneter und Bezirksparteiobmann in Floridsdorf, zur politischen Analyse ausrückt, sind zuverlässig alle beleidigt.

Die ÖVP-Wien habe das „beautiful campaigning“ erfunden, spottete Maier etwa im Wahlkampf. Nach der Wahl konnte er es kaum erwarten, die Niederlage zu filetieren: „Frau Marek wurde Opfer der Vereinigung hilfloser Wahlkampfmanager“, sagte er. Eine Koalition mit der SPÖ sei deshalb keine gute Idee. „Ein derart katastrophales Ergebnis muss man verdauen.“ Die Fernsehkamera fing beim Interview ein verräterisches Glitzern in Maiers Augen auf. Nicht, dass er sich über die Debakel der eigenen Partei freuen würde. Aber immerhin schafft so ein Absturz die Basis für erfrischende Rundumschläge. Auch nicht übel.

Misstrauen und Spieltrieb. Ferdinand „Ferry“ Maier ist gescheit, gewitzt und ein origineller Formulierer. Das sind keine schlechten Voraussetzungen für einen Politiker. Aber seine Erfolge sind schon länger her. Heute lässt sich an seinem Beispiel ziemlich gut erklären, warum den Wiener Schwarzen gar nichts mehr gelingt: Maier ist seit Ewigkeiten dabei und kennt die übrigen Oldtimer gut genug, um ihnen zu misstrauen. Er bringt die Probleme der ÖVP Wien sehr treffend auf den Punkt, aber er kann sie nicht lösen. Und weil mit der Partei nichts zu gewinnen ist, versucht er es gegen die Partei. Das Motto: Wenn die Politik schon keine Freude macht, soll sie wenigstens ein bisschen Schadenfreude abwerfen.

„Der Ferry hat einen enormen Spieltrieb“, erzählt ein leidgeprüfter Mitstreiter seufzend. Gelegentlich wisse man nicht einmal genau, wofür oder wogegen er gerade kämpfe. Hauptsache, es kracht. „Außerdem sagt er den Leuten manchmal Dinge ins Gesicht, die extrem kränkend sind.“ Den Vorwurf der völligen Überforderung mussten sich schon einige anhören – und zwar nicht nur unter vier Augen.

Ferry Maier sieht das nicht so eng. „Bevor ich etwas runterschlucke, sage ich es“, erklärt er seine Strategie. „Klar, dass man sich damit keine Freunde macht.“ Aber zum Glück sei er in dieser Hinsicht nicht harmoniebedürftig.

Die Kritik an Rot-Schwarz störte nicht nur die Parteikollegen. Auch Ferry Maiers Chef, Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad, soll sich laut „Wiener Zeitung“ despektierlich über seinen Mitarbeiter geäußert haben: „Er wollte vermutlich in die Zeitung kommen. Herr Maier hat dies ausschließlich als Funktionär der Volkspartei gesagt, aber sicher nicht als Raiffeisen-Generalsekretär.“ Der Angesprochene war ziemlich baff, als er das lesen musste. Doch jetzt gibt er Entwarnung. „Christian Konrad hat mir versichert, dass er das so nicht gesagt hat. Es wurde auch bereits richtiggestellt.“

Ferry Maier ist 59 Jahre alt und schon lange in der Politik. Er saß von 1983 bis 1986 für die ÖVP im Wiener Gemeinderat und war sechs Jahre lang Landesparteisekretär. Unter dem Wiener VP-Chef Erhard Busek erlebte er die bisher beste Zeit der Stadtpartei. Fast 35 Prozent hatte die ÖVP damals.

Von 1991 bis 1994 betreute er mit Ingrid Korosec das Generalsekretariat der ÖVP und war unter anderem mit der Sanierung der Parteifinanzen betraut. Relativ überraschend verabschiedete sich Ferry Maier aus diesem Amt und heuerte als Generalsekretär beim Raiffeisenverband an. Doch es war nicht das Ende der politischen Karriere: Von 1999 bis 2002 war Maier Bundesrat, seither ist er Nationalratsabgeordneter. Als sonderlich pflegeleicht erleben ihn auch die Kollegen im Parlament nicht. Das Klima im schwarzen Klub beschrieb er 2006 mit „Hände falten, Goschen halten“. Nach der für die ÖVP enttäuschenden Nationalratswahl 2008 zeigte Ferry Maier wieder einmal, warum er bei Journalisten beliebt und bei Parteifreunden gefürchtet ist. Sein Kommentar lautete: „Die gute Nachricht ist, wir sind im Parlament.“

Die Verbindung zur Wiener ÖVP kappte Maier in all diesen Jahren nicht. Seit 2003 ist er Bezirksparteiobmann in Floridsdorf – obwohl er nicht in Transdanubien, sondern im noblen Döbling wohnt. Erst im Vorjahr bemühte er sich zum wiederholten Mal um den Job des Landesparteiobmanns, zog die Bewerbung aber wieder zurück. Ein Fehler, wie er meint. Und zwar für die Partei: „Ich wäre nie so einen Law-and-Order-Kurs gefahren, sondern hätte stark auf die Wirtschaftskompetenz gesetzt.“

Zumindest ein Teil der katastrophalen Niederlage bei der Gemeinderatswahl lässt sich mit Nachwirkungen der Obmannsuche erklären. Christine Marek wollte den Job eigentlich nicht, musste aber einspringen, nachdem Ferry Maier erst abgesagt und dann tatkräftig mitgeholfen hatte, den Favoriten zu demontieren. Alcatel-Österreich-Chef Harry Himmer war als Nachfolger von Gio Hahn davor schon so gut wie festgestanden.

„Nicht die nötige Unterstützung“. Ferry Maier erklärte seinen Rückzug damals kryptisch. Zum einen sei sein Vorschlag, die Ämter Parteiobmann und Spitzenkandidat auf zwei Personen aufzuteilen, nicht mehrheitsfähig gewesen. „Darüber hinaus hatte ich den Eindruck, dass ich von wesentlichen Exponenten der Wiener ÖVP nicht jene Unterstützung erhalten würde, die für die Ausübung dieser Funktion erforderlich wäre.“ So umständlich formuliert der Mann sonst nicht.

Ein Weggefährte versteht das bis heute nicht. „Er hat es ja schon mehrfach versucht, aber nie mit Nachdruck. Irgendwie war man sich nie sicher, ob er es ernst meint mit der Kandidatur.“

Adolf Tiller, schwarzer Bezirkskaiser in Döbling, wäre voll hinter Maier gestanden, sagt er: „Der kennt sich aus, der hat die Politik im kleinen Finger.“ Sein Hang zum bösen Zitat sei einfach notwendig, meint Tiller. „Ohne Sager wirst du in diesem Geschäft nicht gehört.“ Matthias Tschirf, Klubobmann der Wiener ÖVP, hätte es dagegen gerne ein wenig ruhiger: „Ferry Maier neigt schon dazu, die Dinge sehr zugespitzt darzustellen“, meint er höflich.

Aber der Mann kann es sich leisten. Mit der mächtigen Raiffeisen-Organisation im Rücken schimpft es sich recht ungeniert. Man muss Ferry Maier nur leicht anstupsen, schon fällt er über die Parteifreunde her: „Die Wiener ÖVP ist ein völlig verkrusteter politischer Apparat. Es gibt keine engagierten Leute mehr, nur noch saturierte Würdenträger.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2010)

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