Verbraucherpreise

Inflation: Glaube vs. beinharte Realität

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Wird die Entwicklung der Verbraucherpreise vom Markt unter- oder überschätzt? Die Geschichte wird es zeigen.

In der Eurozone dürfte es noch lang dauern, bis sich die Lücke zwischen den Wetten auf Zinserhöhungen und Inflationsaussichten schließt. Der Markt rechnet derzeit mit einer Erhöhung des EZB-Einlagensatzes um zehn Basispunkte (0,1 Prozentpunkte) – in etwa drei Jahren, was allerdings nur einem Drittel der Erwartungen vom Mai entspricht.

Vorausschauende Indikatoren sehen die Inflation der Verbraucherpreise bis dahin jedoch immer noch unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Dies deutet darauf hin, dass die Erwartungen an eine Straffung der Geldpolitik wohl weiter nach hinten geschoben werden müssen. „Entweder der Markt unterschätzt die Inflation immer noch oder er sieht den Lift-off immer noch zu früh – oder beides“, erklärte Christoph Rieger, Chef des Strategiebereichs Festverzinsliche bei der Commerzbank. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte jüngst, dass die Zinsen erst dann angehoben würden, wenn eine Inflation von zwei Prozent nachhaltig in Sicht sei. Diese neue Nuancierung, die sich die Notenbank in Frankfurt im Juli verpasste, hat nun noch mehr Gewicht, da ein Anstieg der Coronavirus-Fälle die Erholung bedroht. Zuvor sollte die Inflation stets das Ziel von „nahe, aber unter“ zwei Prozent erreichen, was über Jahre hinweg nicht gelungen ist.

Noch Mitte August waren sich die Experten allerdings nicht sicher, ob die EZB mit ihrer neuen Strategie die Inflation stärker anschieben kann als bisher. In einer Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unter Finanzmarktexperten gaben 49 Prozent an, dass sie ihre Inflationsprognosen für 2021 bis 2023 wegen des EZB-Strategiewechsels nach oben korrigiert haben. Für 46 Prozent hatte der Strategieschwenk bisher keine Auswirkungen auf ihre Prognosen. Bei der Inflation geht es immer auch um die Erwartungen des Marktes – die sich dann mitunter auch erfüllen können.

Die Inflation ist in der Eurozone im Juli auf 2,2 Prozent gestiegen und hat damit den höchsten Wert seit 2018 erreicht. Die Zentralbanker betonten, dass dieser Anstieg vorübergehend ist. Swaps reflektieren die Einschätzung, dass die Verbraucherpreise 2024 unter 1,7 Prozent liegen werden. Die EZB selbst ging in ihrem im Juni veröffentlichten Zinsausblick von einer Inflationsrate von 1,9 Prozent für heuer aus. 2022 erwartet sie einen Rückgang auf 1,5 Prozent. Im September wird ein neuer Ausblick veröffentlicht, die Zahlen können sich durchaus noch ändern.

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