Der Knappenhof wird von Max Stiegl bespielt. Eine kleine kulinarische Kulturrevolution.
Das Lamento gehört zum wohlhabenden Wien: Trotz Hauptstadtcharakter und den dazugehörigen Millionen Bewohnern – bald sicher zwei – fehlt es in der Umgebung an guten Hideaways. Thermen gibt es natürlich so viele wie passende EU-Förderungen. Aber wer gute Stunden und Nächte ohne Bademantel und Badeschlapfen verbringen will, hat kaum eine Wahl. Der Knappenhof war schon immer eine solche Institution, wie Sigmund Freud und Viktor Frankl als gern gesehene Gäste des 1907 erbauten Knappenhofs wussten.
Wie so manche Gegend nahe Wiens um Rax und Semmering wurde es dann stiller, um nicht zu sagen dornrösig. Der Knappenhof war zuletzt nicht unbedingt eine Nobelherberge. Dann übernahm Hans-Peter Haselsteiner den geschichtsträchtigen Hof. Helena Ramsbacher führt nun das Hotel, Max Stiegl, kulinarischer Landeshauptmann des Burgenlands, verantwortet die Küche seit dem Umbau des Restaurants und der Bar von einem traurigen Holz-Stuben-Gewölbe in ein farbenfrohes Boutique-Lokal. Stiegl kocht auch seine Innereiengerichte, für die er bekannt ist. Ab sofort gibt es Gams, Reh und andere Wildgerichte, die er direkt von einem Jäger seines Vertrauens bezieht, Rebhuhn und Fasan sollen mit der Abschusssaison folgen. Denn das Federvieh steht generell im Mittelpunkt: Dass es hier das teuerste Hendlgericht des Landes gibt, hat sogar die Boulevardzeitungen in Aufregung versetzt: Die im Bergheu im Ganzen gebratene oberösterreichische Bresse-Poularde, mit viel Trüffel und Gänseleber serviert, kostet 220 Euro und sättigt ein halbes, dann glückliches Dorf.
Das Tatar vom Raxer Reh oder Hirsch schmeckt ebenso exzellent wie ein geräuchertes Saiblingsschwanzerl mit persischen Linsen. Coq au Vin geht immer, Gänseleber sowieso. Das Kalbsbries wird von einem gegrillten Scheibchen Schweineohr begleitet, was so manchen älteren Stammgast erstaunt. Wie überhaupt eine kleine Kulturrevolution im Knappenhof stattfindet, Zimmer und Wellnessbereich werden bald erneuert. Die neue Küche bleibt hoffentlich.
Knappenhof: Kleinau 34, 2651 Reichenau/Rax, Donnerstag bis Samstag von 12 bis 22 Uhr und Sonntag ab 12 Uhr, ✆ +43/(0)2666/53 63 30,
www.knappenhof.at
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2021)