Forschung

Florian Krammer, Virologe: Speerspitze im Kampf gegen gefährliche Viren

Sebastian Krammer
  • Drucken

Zunächst beeindruckte der Virologe Florian Krammer mit der raschen Entwicklung eines Antikörpertests, nun arbeitet er in New York an Impfstoffen gegen Sars-CoV-2, die sich überall auf der Welt günstig herstellen lassen.

Eigentlich interessiert er sich in seiner Forschung an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York vor allem für Influenzaviren. „Wir arbeiten an universellen Impfstoffen, die gegen alle saisonalen Viren wirken und auch gegen solche, die von Tieren auf den Menschen überspringen wie bei der Vogelgrippe“, sagt Florian Krammer. Zwei bis drei Impfungen im Leben sollen schützen: „Wir würden keine jährlichen Auffrischungen mehr brauchen und könnten die Bedrohung einer Influenza-Pandemie ausräumen“, umreißt der Boku-Absolvent, der 2010 als Postdoc in die USA ging und seit 2018 Full Professor ist, seine Vision.
Doch dann kam Sars-CoV-2 und Krammer sah, dass hier vieles, womit er mit seiner Arbeitsgruppe die Immunantwort des Körpers untersuchte, nutzbar war. „Wir haben die Methoden umgebaut und waren daher schnell bei der Entwicklung von Antikörpertests“, erklärt der 38-Jährige. Eine Pionierleistung: Bereits Ende Februar 2020 präsentierte er einen Test, mit dem sich das Virus im Blut nachweisen ließ – er wird bis heute verwendet.

Die Vakzine direkt vor Ort herstellen

Bei der Impfstoffentwicklung wiederum wählte man einen ganz anderen Weg als Konzerne, die ihre Produkte in die ganze Welt exportieren. „Wir arbeiten an Impfstoffen, die man als Nasenspray verwenden kann und die billig lokal herstellbar sind“, sagt Krammer. Klinische Studien laufen etwa in Vietnam, Thailand, Brasilien oder Mexiko, die bereits Produktionsstätten aufgebaut haben. „Wir haben den Leuten nur gezeigt, wie es geht. Jetzt machen sie es selbst“, schildert der Forscher. Mit dem schönen Nebeneffekt, dass man dort sehr stolz auf den „eigenen“ Impfstoff sei – und so den gewaltigen Verteilungsproblemen begegnen könne: „Europa und Nordamerika haben alles aufgekauft. Wir reden hier von der dritten Dosis und andernorts sind die Menschen noch ungeimpft“, kritisiert er.

Und Krammer macht auch Hoffnung: Die Menschheit werde das Virus zwar wohl nicht mehr loswerden, es werde aber immer weniger Schaden anrichten: „Teile der Bevölkerung werden sich vermutlich immer wieder infizieren, aber wenn man einmal eine Grundimmunität durch eine Impfung hat, ist das dann eben tatsächlich nur mehr eine Erkältung, man wird nicht mehr schwer krank.“ Ein Virus zu eliminieren, sei „fast unmöglich“: Auch bei hoher Grundimmunisierung in der Bevölkerung finde es, etwa durch Neugeborene, immer ein neues Substrat. Dass das Pockenvirus als bislang einziges menschliches Virus ausgerottet wurde, dürfte an der Impfpolitik gelegen haben: „Damals wurde einfach geimpft und niemand gefragt. Aber die meisten wollten wohl, weil Pocken eine tödliche Krankheit ist“, so Krammer.

Rezept gegen das Informationsvakuum

Dass er mittlerweile eines der medial bekanntesten Gesichter ist, die den Menschen das Coronavirus erklären, sieht er, der am liebsten im Labor steht oder Daten am PC auswertet, zwiespältig. „Es begann mit Twitter“, erzählt Krammer. Er habe, wie manch andere Experten auch, dem politisch motivierten Informationsvakuum in den USA begegnen wollen und Wissen aus erster Hand verteilt. Vor allem zu Beginn der Pandemie habe er das als eine Art öffentliches Service gesehen. Dann wurden die Medien auf ihn aufmerksam. „Es ist beim ersten Mal schon ein komisches Gefühl, wenn die ,New York Times‘ anruft“, sagt er. Auch Fernsehauftritte kosteten ihn noch immer Überwindung. Aber man lerne, damit umzugehen.

Dem Trubel entgeht er, wenn er durch die Catskill Mountains nahe New York wandert. „Im österreichischen Sinn sind das keine Berge, sondern Hügel, aber es reicht, um abzuschalten“, sagt der aus Pack stammende Steirer schmunzelnd. Und manchmal fährt er auch auf einem Fischkutter mit auf den Atlantik. Er habe schon als Kind gern gefischt, erzählt Krammer. Ob er schon einmal daran gedacht hat zurückzukommen? Immer wieder, aber aktuell habe er so viele Projekte. Da könne man nicht einfach gehen. (gral)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.