Heinz-Christian Strache: Aufstieg eines Außenseiters

HeinzChristian Strache Aufstieg eines
HeinzChristian Strache Aufstieg eines(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Sonntagsporträt. Von der alleinerziehenden Mutter großgezogen, ins rechtsextreme Milieu abgeglitten, als "billige Haider-Kopie" geschmäht, vom Establishment "ausgegrenzt": Wie Heinz-Christian Strache wurde, was er ist.

Es war ein emotionaler Moment: Am Wahlabend vorigen Sonntag holte Heinz-Christian Strache seine Mutter auf die Bühne des blauen Festzelts beim Rathaus. „Danke, liebe Mama, ich bin so stolz, dich als Mutter zu haben. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, es ist alles gut gegangen.“

Es wird auch die Mutter nicht minder stolz auf ihren Sohn gewesen sein. Das Vorstadtkind, das die Schule abgebrochen hatte, sich im politischen Spektrum weit rechts außen herumgetrieben hatte, belächelt und angefeindet wurde, hat seine Partei zu einem 26-Prozent-Erfolg geführt. Es muss eine große Genugtuung für ihn gewesen sein. Nun hat er nicht nur der Welt, sondern vor allem seiner Mutter gezeigt, was aus ihm geworden ist.

„Ich liebe meine Mutter, ich bin ihr unendlich dankbar für das, was sie als Alleinerzieherin für mich geleistet hat“, sagt Strache. Als Vollwaise, die bei ihrer Tante aufgewachsen sei, habe sie es in ihrem Leben nicht leicht gehabt. Heinz-Christian war drei Jahre alt, da verließ der Vater die Familie. Dieser hatte Welthandel studiert, ließ sich jedoch vom Lebensgefühl der 68er anstecken, wurde zum „Aussteiger“ und Schriftsteller. „Seinen Vaterpflichten ist er nicht nachgekommen“, erzählt der heutige FPÖ-Chef. Ob er deshalb, wegen des 68er-Vaters, zum Rechten geworden sei? Strache verneint.

Heinz-Christian Strache ist eitel, selbstverliebt – davon zeugen die vielen Bilder von sich in seinen Büros – und hat ein großes Geltungsbedürfnis. Allerdings haben das Politiker grundsätzlich so an sich. Doch bei Strache kommt noch etwas hinzu: Er ist als Außenseiter, ja fast als Outlaw in den Politikbetrieb gestartet. Selbst als er seine ersten Erfolge feierte, wurde er als „billige Haider-Kopie“ verhöhnt, der es nie so weit bringen würde wie sein ehemaliges Idol. Nun liegt er in Wien mit über 26 Prozent nur noch knapp hinter Haiders 27,9 Prozent aus dem Jahre 1996.

Erdberger Kind. Heinz-Christian Strache ist in der Keinergasse in Erdberg, einem nicht allzu ansehnlichen Teil des dritten Wiener Gemeindebezirks, aufgewachsen. Bei seiner Mutter Marion, einer Drogistin. Um arbeiten gehen zu können, musste ihr Sohn die Schuljahre im Internat verbringen – zuerst in der Neuland-Schule, dann in Strebersdorf. Nach der Hauptschule hatte er genug, das Militärgymnasium in Wiener Neustadt, in das er gehen hätte sollen, verweigerte er.

Strache begann eine Zahntechnikerlehre. Und lernte den Zahnarzt Helmut Güntner, FPÖ-Bezirksobmann in Wien-Landstraße, kennen. „Wir sind draufgekommen, dass wir vieles ähnlich sahen.“ Den rot-schwarzen Proporz, die einsetzende Massenzuwanderung, die das Bezirksbild veränderte, den Kommunismus als Feindbild, auch die Waldheim-Debatte, „in der eine ganze Generation als Kriegsverbrecher verunglimpft wurde“.

Bei der „Vandalia“ und im Wald.
Strache trat der FPÖ bei – und der Mittelschul-Burschenschaft „Vandalia“. Und glitt nach rechts außen ab. Im Tarnanzug robbte er mit den Kameraden aus der rechten Szene durch die Kärntner Wälder, einer davon, Andreas Thierry, ist heute eine NPD-Größe in Deutschland. Auch mit Gottfried Küssel kam er in Kontakt. „Der eine oder andere ist leider falsch abgebogen“, sagt Strache. Für ihn sei es ein Lernprozess gewesen, er habe einschätzen gelernt, was richtig und falsch sei. „Und bei dem, was ich damals erlebt habe, habe ich gewusst: Das will ich nicht.“ Er habe damals einfach vieles ausprobiert, sei auch in den Jugendzentren der Sozialistischen Jugend gewesen, auf JVP-Festen und Caritas-Jugendlagern.

Mit 21 Jahren machte sich Strache als Zahntechniker selbstständig und absolvierte die Studienberechtigungsprüfung für Geschichte und Philosophie. Dass er – auch in der eigenen Partei – lange Zeit als intellektuell nicht satisfaktionsfähig galt, muss den ehrgeizigen Jungparteichef sehr geärgert haben. Eine Zeit lang spickte Strache seine Reden mit Zitaten von unzähligen Philosophen. Doch der (Wahl-)Erfolg gab ihm letztlich recht. Auch in der FPÖ sind die Kritiker verstummt.

Ob er stolz auf sich sei? „Wir sind stolz auf uns“, sagt Strache. Noch hat er die Wahlkampfrhetorik nicht abgelegt. Minutenlang redet er darüber, wie Michael Häupl die Stadt heruntergewirtschaftet habe, welchen heroischen Wahlkampf die Freiheitlichen hingelegt hätten und wie sie Stadt und Land retten würden. Wie ein Roboter spult er die Phrasen ab, liest sie von vorgefertigten Zetteln – obwohl der Wahlkampf vorbei ist. Doch Strache, Red Bull trinkend und Zigaretten rauchend, ist noch nicht ganz runtergekommen.

Das dürfte ihm auch selbst bewusst sein. „Ein paar Dosen Red Bull“ seien es schon, die er am Tag so verbrauche, „im Wahlkampf wohl etwas mehr“, da rauche er auch mehr als das übliche Packerl Zigaretten. „Jetzt, nach dem Wahlkampf, mache ich aber wieder ein paar Wochen lang meine basische Entgiftung.“ Da gebe es nur Wasser und Säfte. Seine andauernde Heiserkeit habe er zuletzt in den Griff bekommen– mit Honigpastillen.

„Nicht wie ein Lurch angezogen.“ Ein gewisser Lifestyle sei ihm schon wichtig, sagt Strache. Als Politiker solle man nicht „angezogen sein wie ein Lurch“. Dennoch ärgere er sich, wenn seine Rolex, die er zum Geburtstag bekommen habe, thematisiert werde oder die Penthouse-Wohnung am Kohlmarkt, die er lediglich besichtigt, aber nie zu kaufen beabsichtigt habe.

Strache sieht man es an, dass er unter der „Ausgrenzung“, der Verächtlichmachung durch den politischen Gegner, leidet. Auch wenn er, der „starke Mann“, das nie zugeben würde. „Ich leide darunter überhaupt nicht. In der Bevölkerung gibt es ganz ein anderes Bild über mich – das zeigt, wie weit das Establishment von den Menschen weg ist“, meint Strache. Er brauche nicht mehr um Anerkennung zu buhlen. Was ihn aber immens störe, sei, wenn er als Ausländerfeind diffamiert werde. „Das bin ich nicht.“ Er sei mit Menschen aus vielen verschiedenen Herkunftsländern befreundet, er sehe nur nicht ein, wieso Österreich Kriminelle, Sozialschmarotzer und Arbeitslose aus dem Ausland importieren solle.

Vizebürgermeister oder Vizekanzler würde er gerne werden, gibt Strache zu. „Aber nur, wenn die freiheitlichen Inhalte umgesetzt würden“, fügt er hinzu. Es sei Jörg Haiders größter Fehler gewesen, 2000 nicht selbst in die Regierung zu gehen. Mit diesem sei vor dem Parteitag 2005 übrigens ausgemacht gewesen, dass sie die FPÖ im Duo führen würden. Doch dann folgte Haiders „Verrat“, er gründete das BZÖ.

Vizekanzler respektive Vizebürgermeister Heinz-Christian Strache? Es spricht vieles dafür, dass der FPÖ-Chef mit so einem Amt zufriedenzustellen, im politischen Sinne „korrumpierbar“, wäre und dafür radikale Positionen aufgeben würde. Er hätte die Ausgrenzung durchbrochen und es der Welt gezeigt – dann aber wirklich. Das Wiener Vorstadtkind hätte es endgültig nach ganz oben geschafft in der Gesellschaft. Und seine Mama, die wäre wohl noch stolzer auf ihn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2010)

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