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„The Virtuoso“: Was wäre ein Filmmörder ohne Gewissensbisse?

The Virtuoso
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Anson Mount spielt einen reumütigen Killer, Anthony Hopkins dessen geheimnisvollen Auftraggeber – in einem angenehm altmodischen Thriller. Jetzt im Kino.

Zynische Zeitgenossen behaupten, die Idee des herzlichen oder reumütigen Auftragskillers sei nur eine Erfindung blauäugiger Hollywood-Humanisten. In der Realität, meinen sie, gibt es unter ihnen keine zarten Seelen wie den Titelhelden aus Luc Bessons „Leon – Der Profi“ oder den zweifelnden Mossad-Agenten aus Steven Spielbergs „München“. Sondern nur abgebrühte Pragmatiker ohne Schuldempfinden. Wäre es anders, hätten sie sich für den Job nie entschieden.

Andererseits ist mit Figuren, die sich wie gefühllose Roboter gebären, kein Film zu machen. Sie müssen lieben oder verzweifeln, sonst fehlt die dramatische Fallhöhe. Auch der Titelheld aus „The Virtuoso“ (nicht übel: Anson Mount) passt zunächst in das Muster des eiskalten Killers, nur um nach einer Weile menschliche Züge erkennen zu lassen. Man sieht ihn anfangs bei einem Attentat aus dem Hinterhalt präzise Schüsse auf sein Opfer abfeuern und danach stoisch den Tatort verlassen. Er lebt anonym in einer abgeschiedenen Waldhütte. Soziale Kontakte hat er keine. Seine Aufträge erhält er von dem Mentor (Anthony Hopkins), so der Codename dieses ominösen Vietnam-Kriegsveteranen, der die meiste Zeit Whiskey trinkend in abgedunkelten Zimmern hockt und seine Pistolensammlung putzt (für aufwendiger zu produzierende Szenen stand der Superstar anscheinend nicht zur Verfügung).

Auf der Tonspur hört man den Virtuosen über seine Methoden fachsimpeln, bis ein Vorfall sein Gewissen reanimiert. Bei einem verpatzten Auftrag erwischt es eine unbeteiligte Passantin. Sie verbrennt vor seinen Augen. In schockartigen Flashbacks durchfährt ihn die traumatische Erinnerung immer wieder. Zum Unmut seines Auftraggebers zieht er sich vom Morden zurück.

Eine vom Krieg geprägte Moral

Anthony Hopkins, der gerade auch als dementer Greis in „The Father“ zu sehen ist, legt den Boss als räsonierenden Gentleman an, der den Abtrünnigen überredet, wieder seine Arbeit aufzunehmen. Seine selbstgerechte Moral verpackt er in große Worte. Ihr Geschäft sei dasselbe wie im Krieg, sie die Soldaten und der Tod einer Zivilistin ein Kollateralschaden. Nach der Standpauke beginnt dann die überschaubare Haupthandlung: Eine Tankstelle, ein Diner, ein Motel und ein Landhaus in winterlicher Prärie bilden die karge Kulisse für ein Verwirrspiel unzuverlässiger Identitäten. Wobei sich die kryptische Art des Chefs, seinen Untergebenen auf Aufträge anzusetzen, als verhängnisvoll entpuppt: Orientierungslos tötet er sich von einem Verdächtigen zum nächsten.

Überzeugend an dem soliden Thriller ist vor allem seine schnoddrige B-Film-Artigkeit. Die raue Optik strahlt nicht den Glanz jüngerer Genre-Hommagen aus. Auch die selbstreflexive Ironie, wie man sie aus den Noir-Parodien der Coen-Brüder kennt, fehlt. Die Erzählkonstruktion ist außerdem nicht unnötig vertrackt. Es reicht für den Genuss eines angenehm altmodischen Thrillers, der obendrein moralische Grundfragen streift.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2021)

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