Diplomatie

Begeisterung am Westbalkan über EU-Erweiterung schwindet

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic REUTERS
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Serbiens Präsident mahnt beim "Bled Strategic Forum": Enthusiasmus über EU-Beitrittsprozess existiert nicht mehr.

Die Erweiterungsmüdigkeit der EU hat nach Worten des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic die Begeisterung der Westbalkanländer über den Integrationsprozess schwinden lassen. "Wir waren alle sehr enthusiastisch über unseren EU-Beitrittsprozess. Heute existiert dieser Enthusiasmus nicht mehr", sagte er am Mittwoch beim "Bled Strategic Forum" in Slowenien im Rahmen einer Diskussion über die Zukunft Europas.

"Serbien bleibt weiterhin unserem EU-Weg völlig verpflichtet, aber wir werden uns um uns selbst kümmern - zusammen mit unseren Nachbarn auf dem Balkan", sagte Vucic. Die Länder auf dem Westbalkan hätten begonnen, eigene Wege bei ihrer Entwicklung zu suchen und miteinander zu kooperieren, erklärte der serbische Präsident. Konkret nannte er die Initiative "Open Balkan", in deren Rahmen Serbien, Nordmazedonien und Albanien ab 2023 die Aufhebung der Grenzkontrollen vereinbart haben. "Wir werden unser Bestes tun, um enger zusammenzukommen, die Stabilität und den Frieden in der Region zu bewahren - was nicht immer leicht ist - und sehen, was wir machen können", sagte er.

Der serbische Präsident zeigte sich resigniert, als er darüber sprach, dass den Beitrittskandidaten immer wieder neue Bedingungen auferlegt würden. Als Beispiel dafür nannte er Nordmazedonien, welches entgegen Versprechen auch nach Beilegung des jahrelangen Namensstreites mit Griechenland bei seiner EU-Annäherung nicht vorankomme.

Sassoli mahnt

EU-Parlamentspräsident David Sassoli bezeichnete in Bled die deutliche Enttäuschung Serbiens über den Erweiterungsprozess als besorgniserregend. Er setzte sich dafür ein, den Beitrittskandidaten, die seit Jahrzehnten auf den Beitritt warten, einen konkreten Zeitplan zu geben. Laut Sassoli ist es jetzt an der Zeit, dem Prozess eine neue Energie zu verleihen. Jede Verzögerung im Erweiterungsprozess spiele in die Hände der Konkurrenz und Kontrahenten, mahnte er.

Vucic trat bei der Podiumsdiskussion zusammen mit Sassoli, EU-Ratspräsident Charles Michel und den Regierungschefs der EU-Länder Slowenien, Kroatien, Ungarn, Griechenland, Tschechien, und der Slowakei auf. Später am Nachmittag stand eine weitere Diskussion zur Erweiterung der EU auf dem Programm, an der neben Michel und EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi auch Regierungsvertreter aus anderen Westbalkanländern teilnehmen sollten. Das gilt als Prolog für das Gipfeltreffen EU-Westbalkan, das der slowenische EU-Ratsvorsitz Anfang Oktober plant.

Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev betonte bei der Diskussion zur EU-Erweiterung, das es für sein Land keine andere Alternative als die EU gäbe. "Wir haben keine andere Familie", sagte Zaev. Wie er betonte, werde sein Land, das seit 2005 offiziell ein EU-Beitrittskandidat ist, auf dem europäischen Weg bleiben. In der Zwischenzeit seien aber auch regionale Initiativen wichtig, um die Lebensqualität seiner Bürger zu verbessern. Man hoffe, dass die EU "den Mut" finde, um "nur den nächsten Schritt" im Erweiterungsprozess zu setzen. "Wir brauchen diesen nächsten Schritt, um unsere Motivation zu bewahren", sagte Zaev.

„Wie warten auf Godot"

Der albanische Regierungschef Edi Rama betonte, dass sich Albanien und Nordmazedonien in dem EU-Beitrittsprozess wie in dem Drama von Samuel Beckett, "Warten auf Godot", fühlen. "Die EU ist unser Godot", betonte er. In dem Theaterstück bleibt es ungewiss, ob Godot jemals erscheinen wird. In der Podiumsdiskussion rief er den anwesenden bulgarischen Präsidenten Rumen Radew auf, die Tür für Beitrittsverhandlungen zu öffnen. "Es gibt keine Zukunft Europas ohne Westbalkan innerhalb der Europäischen Union", sagte Rama.

Radew erwiderte daraufhin, dass Bulgarien "absolut offen" für Dialog sei. "Bulgarien ist kein Türhüter, sonder euer Freund und Partner", sagte der bulgarische Präsident und fügte hinzu, dass die Westbalkanländer den Schlüssel für die Tür in ihren eigenen Händen halten. Wegen eines Streits mit Nordmazedonien um die gemeinsame Geschickte blockiert Bulgarien den Start der Beitrittsverhandlungen.

Der slowenische Premier Janez Jansa betonte, dass es bei der EU-Erweiterung auf den Westbalkan nicht nur um technische Fragen der Erfüllung von Beitrittskriterien, sondern viel mehr um eine strategische Frage handle. Am Ende sei das eine politische Entscheidung, sagte Jansa. "Es ist höchste Zeit zu liefern", sagte er. Sloweniens Ministerpräsident zog Parallelen zu der Schengen-Erweiterung: Bulgarien habe die Kriterien für den Schengen-Raum bereits vor zehn Jahren erfüllt, warte aber immer noch auf die politische Entscheidung der EU-Staaten. "Es liegt nicht an denjenigen, die im Wartezimmer sind. Es liegt an uns", sagte Jansa.

(APA)

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